Wer das Programm der AfD zur Bundestagswahl 2025 mit Blick auf Wirtschafts- und Sozialpolitik betrachtet, wird über die großen Schnittmengen zur Programmatik von CDU/CSU und FDP erstaunt sein. Schließlich tritt die AfD immer offener völkisch-nationalistisch auf und lässt gewalttätig aufgeladenen »Re-Migrations«-Phantasien freien Lauf. Das verträgt sich – zumindest auf den ersten Blick – kaum mit wirtschaftsliberalen Vorstellungen. Doch es wird zu zeigen sein, dass ein bei der AfD gepflegter, autoritärer Neoliberalismus in der Tradition des deutschen Ordoliberalismus durchaus mit einer extrem konservativen und sozialdarwinistischen Gesellschaftspolitik vereinbar ist.
Im Programm zur Bundestagswahl 2025 widmet die AfD mehr als die Hälfte ihrer Vorstellungen wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen – immer im Duktus eines dunklen Untergangszenarios. Aussagen zur gesamtwirtschaftlichen Stagnation der Bundesrepublik seit der Finanzkrise von 2008 oder den veränderten Bedingungen der Globalisierung finden sich an keiner Stelle. Stattdessen sieht die AfD die Ursachen der wirtschaftlichen Krise in einer ausufernden Staatstätigkeit, zu hohen Steuern und Sozialabgaben, insbesondere für Unternehmen und Vermögende, sowie in einem Übermaß staatlicher Regulierungen, verpackt als Kritik an ausufernder Bürokratisierung. Offene Grenzen mit hohen Ausgaben für Geflüchtete, der massenhafte Missbrauch des Bürgergelds und eine ideologiegeleitete, kostenintensive Klimapolitik haben aus AfD-Sicht zu einer fiskalischen Krise geführt. Dazu konstatiert die AfD einen gesellschaftlichen »Werteverfall« im Hinblick auf mangelnde Leistungsbereitschaft, die Auflösung der »Normal«-Familie als Stütze der Gesellschaft und eine fehlende Technologieoffenheit, die notwendige Innovationen verhindere.
Marktradikale Neujustierung des Staates
Dagegen setzt die AfD in ihrem Wahlprogramm auf marktwirtschaftliche Radikalreformen und eine Staatsschrumpfung im Stile von Musk und Trump: »Staatliche Eingriffe in den Markt werden wir auf ein Minimum reduzieren.« »Damit Unternehmer an die Zukunft des Standorts Deutschland glauben können« will die AfD die Erbschaftssteuer, die ausgesetzte Vermögenssteuer und die Grundsteuer gänzlich abschaffen, die Unternehmenssteuern senken und bei den Einkommenssteuern in Richtung einer Flattax gehen. Auf diese Weise will die AfD die bereits geschliffene Steuerprogression endgültig zerstören und damit die wichtigste Sozialstaatssteuer beseitigen. Das wäre entgegen der Selbstinszenierung als »Partei der kleinen Leute« eine massive Umverteilung zugunsten der oberen Einkommens- und Vermögensbesitzer. Mit ihren Forderungen zur Umverteilung überholt die AfD nach oben sogar die Klientel-Partei FDP, wie eine aktuelle Studie des ZEW Mannheim herausarbeitet.
Eine solide Finanzierung dieser Vorhaben wird nicht einmal angedeutet, einzig Ausgabenkürzungen werden auf breiter Front gepriesen. Entsprechend tritt die AfD nicht nur für eine strikte Einhaltung der Schuldenbremse ein, sondern forderte im Parteiprogramm von 2016 sogar, »eine verbindliche Steuer- und Abgabenbremse ins Grundgesetz« aufzunehmen. Die Finanzierung der Steuersenkungen stützt sich also auf eine fundamentalistische Austeritätspolitik, sehr ähnlich der aktuellen US-Regierung unter Trump: So will die AfD fast alle Maßnahmen der Klimapolitik streichen, da sie postfaktisch den Klimawandel grundsätzlich leugnet. Dazu kommen massive Leistungskürzungen in der Migrationspolitik sowie die Einbehaltung von Beiträgen für internationale Organisationen, vor allem für die EU und in der Entwicklungspolitik. Zivilgesellschaftlichen und kulturellen Initiativen sollen, soweit sie nicht dem national-völkischen Vorstellungen der AfD entsprechen, die Mittel gekürzt oder gestrichen werden. Dazu kommen massive Einsparungen und Restriktionen im Sozialbereich. Vor allem beim Bürgergeld und in der Arbeitslosenversicherung soll gestrichen werden und auch der soziale Wohnungsbau soll zugunsten privatwirtschaftlicher Akteure noch weiter schrumpfen. Zugleich will die AfD im Rahmen ihrer Familienpolitik eine Geburtenprämie von 20.000€ pro Kind auf den Weg bringen und die private Kinderbetreuung zulasten von öffentlichen Kitas fördern.
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