Blockierte Autobahnen und Brücken, Demonstrationen vor dem Brandenburger Tor: Im Januar 2024 entlud sich die Wut der Landwirtinnen und Landwirte bundesweit auf den Straßen. Ausgelöst durch die angekündigte Streichung der Subvention für Agrardiesel, überraschte die Heftigkeit der Proteste viele. Sie machten deutlich, unter welchem Druck Landwirtinnen und Landwirte in Deutschland stehen. Neben stagnierenden Absatzpreisen bei stetig steigenden Produktionskosten zeigt der Blick auf die explodierenden Kauf- und Pachtpreise für Agrarflächen, dass die Dynamik der Finanzmärkte längst auch die Landwirtschaft erfasst hat. Für Landwirtinnen wird es immer schwerer, Land zu kaufen. Das belegt eine kürzlich veröffentlichte Studie von Finanzwende Recherche.
Zwischen 2007 und 2020 stiegen die Kaufpreise für landwirtschaftliche Flächen in Deutschland um 191 Prozent. In Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg wurden im selben Zeitraum sogar Preissteigerungen von über 320 Prozent verzeichnet. Zum Vergleich: Der DAX legte im selben Zeitraum um »nur« 108 Prozent zu.
Von der Finanzkrise zur Agrarkrise: Agrarflächen als Wertanlage
Seit der Finanzkrise 2008 sind fachfremde Investoren, also große Unternehmensgruppen und wohlhabende Privatpersonen, im großen Stil in die Landwirtschaft eingestiegen. Niedrige Zinsen sowie Unsicherheiten bei klassischen Finanzanlagen brachten sie dazu, sich nach alternativen Investitionsmöglichkeiten umzusehen. Agrarland erwies sich als besonders attraktiv und sicher. Dank seiner begrenzten Verfügbarkeit ist es stets begehrt und stellt somit eine optimale Wertanlage dar. Das Manager Magazin betitelte diesen Trend 2015 schon mit: »Weide, Wald und Weinberg statt Dollar, Dax und Derivat.«
Der Markt für landwirtschaftliche Flächen ist – eigentlich – relativ statisch, weniger als ein Prozent der Gesamtfläche wird jährlich verkauft. Die gestiegene Nachfrage durch fachfremde Investoren verschärft die Konkurrenz um verfügbare Flächen. Das sorgt für steigende Kauf- und Pachtpreise, die deutlich über dem liegen, was aus landwirtschaftlichen Erträgen erzielt werden kann. Für Landwirtinnen und Landwirte wird es zunehmend schwer, Agrarland zu erwerben.
Dabei gibt es gesetzliche Regelungen, die den Einstieg fachfremder Finanzinvestoren in die Landwirtschaft begrenzen und hohe Preisanstiege verhindern sollen. Der Markt für Ackerland ist strenger reguliert als andere Märkte: Wird landwirtschaftliche Fläche verkauft, muss das genehmigt werden. Ein Vorkaufsrecht soll sicherstellen, dass landwirtschaftliche Flächen vorrangig von denen erworben werden, die sie auch bewirtschaften. Doch diese Schutzmechanismen werden durch sogenannte Share Deals systematisch umgangen.
Share Deals: Die rentablen Schlupflöcher der Investoren
Share Deals, auch als Anteilskäufe bekannt, ermöglichen es Investoren, Unternehmensanteile statt ganzer Unternehmen zu erwerben und so das Vorkaufsrecht zu umgehen. Bleibt der Anteil unter 89,9 Prozent, entfällt zudem die Verpflichtung zur Zahlung der Grunderwerbsteuer. Ein anschauliches Beispiel liefert der Fall des Agrarunternehmens Röderland in Brandenburg. Im Jahr 2023 wurde es an das Leipziger Immobilienunternehmen Quarterback verkauft, das zu Vonovia gehört. Obwohl ein Brandenburger Landwirt 8 Millionen Euro für das Unternehmen bot, erhielt Quarterback mit 10 Millionen Euro den Zuschlag. Der damalige Brandenburgische Landwirtschaftsminister Axel Vogel versuchte bis zum Schluss, das zu verhindern – ohne Erfolg. Medienberichten zufolge erfolgte der Kauf als Share Deal, wodurch dem Land Brandenburg rund 584.000 Euro an Steuereinnahmen entgingen. Für kleinere Landwirtinnen und Landwirte, die solche Konstruktionen kaum nutzen können, bedeutet dies einen erheblichen Wettbewerbsnachteil, da sie beim Landkauf in der Regel die Grunderwerbsteuer zahlen. Share Deals funktionieren nur beim Kauf ganzer Agrarunternehmen, wenn es nur um ein paar Hektar angrenzende Ackerflächen der Nachbarn handelt, kommen sie nicht in Frage. Außerdem bedarf es juristischer Unterstützung und einem willigen Partner, der die verbleibenden 10,1 Prozent der Anteile übernimmt. Hohe Hürden für einfache Landwirtinnen und Landwirte.
Wie die aktuelle Studie von Finanzwende Recherche zeigt, nutzen diesen Trick auch andere namhafte Investoren beim Kauf von Agrarflächen in Deutschland – darunter die Münchener Rück, die Aldi-Nord Eigentümerfamilie, die Lindhorst-Gruppe und die Gustav Zech Stiftung. Diese Investoren profitieren zusätzlich von EU-Agrarsubventionen, die ihnen teils in Millionenhöhe zugutekommen. Oft wird die Nutzung der Flächen zudem renditeorientiert umgewidmet: Während der klassische Ackerbau im Schnitt eine Grundrente von etwa 500 Euro pro Hektar erwirtschaftet, bringt die Nutzung für erneuerbare Energien wie Photovoltaik-Anlagen bis zu 10.000 Euro pro Hektar ein.
Investoren sind vor allem in Ostdeutschland aktiv, da es aufgrund der LPG-Vergangenheit dort größere zusammenhängende Flächen gibt. In Brandenburg, Sachsen und Thüringen und auch in Niedersachsen gibt es Bestrebungen, Agrarstrukturgesetze einzuführen. Ziel dieser Gesetze ist, den Einstieg von Investoren ausbremsen und Landwirtinnen wieder dazu befähigen, Land zu kaufen. Bisher wurde jedoch keines dieser Gesetze verabschiedet. In den drei ostdeutschen Bundesländern haben sich die Landesbauernverbände dagegen ausgesprochen – vermutlich, weil sie die Interessen der großen Betriebe vertreten, die von hohen Verkaufspreisen profitieren.
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