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Balkan: Hunderttausende boykottieren Supermärkte wegen hoher Preise

Eine Protestbewegung gegen hohe Lebenshaltungskosten breitet sich auf dem Balkan aus. Der »Preisboykott« setzt die Politik unter Druck.

In Kroatien und in vielen anderen osteuropäischen Ländern boykottieren Menschen Supermärkte. Credit: IMAGO/Pixsell

An den Zapfsäulen der Tankstellen stehen keine Autos, die Regale in den Supermärkten sind voll, doch niemand greift zu. In mehreren Ländern des Balkans weigern sich Hunderttausende Menschen, zu teure Waren einzukaufen, sie nennen es »Preisboykott«. Ihr Ziel ist es, eine Bewegung aufzubauen. Sie fordern ein bezahlbares Leben und kritisieren die unzureichenden Maßnahmen der Regierungen.

Die Proteste begannen am 24. Januar in Kroatien und breiteten sich von den Großstädten bis in die kleinen Dörfer aus. Bürgerinnen und Bürger organisierten sich über Facebook und begannen mit einem eintägigen Boykott von Lebensmitteln wie Brot, Nudeln oder Fleisch. Unterstützt wird der Protest mittlerweile von Verbraucherverbänden, Gewerkschaften, NGOs und einer großen Mehrheit in der Bevölkerung. Innerhalb einer Woche breitete sich der Boykott auf Serbien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro und Nordmazedonien aus. 90 Prozent der Bosnier und 89 Prozent der Kroaten unterstützten den Boykott.

Laut der kroatischen Steuerbehörde ging die Zahl der ausgestellten Rechnungen am 24. Januar um 44 Prozent im Vergleich zum Freitag der Vorwoche zurück. Insgesamt brach der Umsatz an diesem Tag in allen Wirtschaftszweigen in Kroatien um 29 bis 36 Prozent ein. Hatte der Boykott zunächst Supermärkte, Drogerien und Tankstellen zum Ziel, wurde er schnell ausgeweitet auf Bankgeschäfte, Cafés, Restaurants und den öffentlichen Nahverkehr.

In Serbien rief die Verbraucherschutzorganisation Efektiva dazu auf, fünf große Supermärkte gezielt zu meiden. In Bosnien und Montenegro sanken die Umsätze um bis zu 50 Prozent. In Nordmazedonien verloren die acht größten Supermarktketten durch den Boykott über 46 Prozent ihres Umsatzes gegenüber der Vorwoche.  

Ursachen: Warum explodieren die Preise?

Die Inflation auf dem Balkan ist besonders hoch – teils wirkt hier die Corona-Pandemie nach, teils treiben geopolitische Spannungen und steigende Importpreise die Inflation. Auch der Ukraine-Krieg hat die Lebensmittelversorgung verteuert, insbesondere bei Weizen, Speiseöl und Zucker. 

Die Preise in Kroatien waren im Vorfeld des Boykotts mit dem Beitritt des Landes zur Eurozone im Jahr 2023 so stark gestiegen, dass die Gehälter und Renten nicht mehr Schritt halten konnten. Grundnahrungsmittel wie Brot oder Eier verteuerten sich in einigen Fällen um bis zu 60 Prozent. Ein schrumpfender Agrarsektor, große Monopole im Lebensmittelhandel, die Erosion kleinerer Unternehmen und eine übermäßige Abhängigkeit vom Tourismus haben zu dem Preisschock beigetragen. Seitdem wurden von verschiedenen Einzelhändlern im Land weitere Preiserhöhungen vorgenommen, was nach offiziellen Angaben zu einem Preisanstieg von 30 Prozent geführt hat. 

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