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Politik Armut Friedrich Merz

Bürgergeld: Merz I ist schlimmer als Hartz IV

Noch laufen die Koalitionsverhandlungen – doch schon jetzt ist klar: Die »Neue Grundsicherung« ist ein Rückschritt.

5 Minuten Lesedauer
Er macht rückgängig, was zuvor verbessert wurde: Friedrich Merz (CDU). Credit: IMAGO/dts Nachrichtenagentur

Noch streiten Union und SPD über viele Themen und Details. Doch auf ein massives Entrechtungs- und Verelendungs-System für erwerbslose Menschen haben sich die Parteien in den Koalitionsverhandlungen bereits geeinigt. Nichts anderes steckt hinter der geplanten Abschaffung des Bürgergelds und der Einführung der sogenannten »Neuen Grundsicherung«. Nennen wir sie Merz I. Wer sich das aktuelle Papier aus den Koalitionsverhandlungen genauer anschaut, wird schnell feststellen, dass die Ampelkoalition sich die letzten vier Jahre Ringen ums Bürgergeld hätte sparen können. Wir sind wieder genau da, wo wir zuvor mit Hartz IV waren. 

Aber es ist sogar schlimmer: Denn das gesellschaftliche Klima ist viel vergifteter als vor der Einführung von Hartz IV vor zwanzig Jahren. Während gegen die Agenda 2010 und Hartz IV noch Hunderttausende auf die Straße gingen, ist die Solidarität mit Menschen in Armut heute erschreckend niedrig. Protest gegen den sozialen Kahlschlag ist jedenfalls nur eine vage Erinnerung an vergangene Zeiten. 

Stattdessen finden Forderungen nach härteren Sanktionen und niedrigeren Regelsätzen in großen Teilen der Gesellschaft Zustimmung. Dieses Phänomen kommt nicht von Ungefähr. Die Kampagne gegen das Bürgergeld wurde von CDU und CSU bereits vor seiner Einführung strategisch geplant und kontinuierlich gefahren. Auf dem Rücken der Ärmsten haben die Union und ebenso die AfD maßgeblich ihre Zustimmung in der Bevölkerung gesteigert –  während die SPD von Jahr zu Jahr immer weiter eingeknickt ist und damit ihre eigene Reform der Reform lächerlich und nun anscheinend unnötig gemacht hat. 

Die Neue Grundsicherung im Koalitionsvertrag 2025

Aber was genau verbirgt sich nach aktuellem Verhandlungsstand hinter der »Neuen Grundsicherung«? Konsens gibt es schon beim Thema Sanktionen. Sie sollen schneller, einfacher und unbürokratischer umgesetzt werden können. Denkbar sind hier die bereits unter der Ampel-Koalition verabschiedeten, aber noch nicht umgesetzten Verschärfungen. Diese sehen vor, dass bereits ein erstes abgelehntes Arbeitsangebot eine 30 Prozent-Sanktion für drei Monate zur Folge haben soll – statt wie bisher im Bürgergeld zunächst zehn Prozent für einen Monat. Bei einem Regelsatz von nur 556 Euro ist eine solche finanzielle Kürzung von 168,90 Euro für drei Monate kein Pappenstiel und bedeutet blanke Not. Das nimmt niemand leichtfertig hin. Auch die umstrittenen Totalsanktionen beim wiederholten Ablehnen eines Arbeitsangebots sollen vermehrt angewendet werden können, wobei die konkrete Ausgestaltung nicht näher beschrieben wird. 

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Helena Steinhaus

Helena Steinhaus Autorin und Gründerin des Vereins Sanktionsfrei in Berlin.