Die europäische Industrie steht vor enormen Herausforderungen. Hohe Energiepreise, Abhängigkeiten in Schlüsselsektoren, fehlende Investitionen, und ein schwieriges geopolitisches Umfeld erfordern eine konzertierte Industriepolitik. Hinzu kommt die sich verschärfende Klimakrise. Die EU-Kommission hat deswegen den Clean Industrial Deal (CID) auf den Weg gebracht.
Der CID ist nach dem Green Deal das zweite große Projekt von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die gute Nachricht: Auch wenn der CID an manchen Punkten falsche fossile Weichenstellungen vornimmt, senkt er zumindest nicht die Zielmarke: Das Klimaziel für 2040 – eine Emissionsreduktion von 90 Prozent gegenüber dem Referenzjahr 1990 – bleibt im CID unangetastet und erneuerbare Energien sowie die Kreislaufwirtschaft spielen eine zentrale Rolle.
Der CID stellt den Versuch dar, grüne Industriepolitik auf EU-Ebene zu verankern. Er legt einen sektoralen Fokus auf energieintensive Industrien sowie grüne Technologien und identifiziert sechs zentrale wirtschaftliche Treiber, darunter günstige Energie, grüne Leitmärkte sowie die Mobilisierung von Investitionen. Nun kommt es auf die Ausgestaltung und Finanzierung an, wobei die folgenden Punkte beachtet werden sollten.
Nachfrageseitige Instrumente sind wichtig, aber nicht genug
Es ist längst überfällig, dass der CID grüne Leitmärkte stärkt. Diese können nachfrageseitig die Entwicklung grüner Technologien unterstützen und bestehende Wettbewerbsnachteile gegenüber konventionellen Technologien ausgleichen. Ein zentraler Hebel dafür könnte die im CID angekündigte Revision der Richtlinie über öffentliche Beschaffung sein. 11 Prozent der EU-Emissionen entfallen auf Produkte und Dienstleistungen, die von der öffentlichen Hand beauftragt oder erworben werden.
Gemäß der genannten Richtlinie erfolgt die Ausrichtung der öffentlichen Beschaffung an Nachhaltigkeitskriterien auf freiwilliger Basis. Der CID sollte das ändern – allerdings ohne die Effizienz und Effektivität der öffentlichen Beschaffung zu beeinträchtigen. Die Richtlinie sollte künftig bindende Zielmarken für die Beschaffung grüner Güter enthalten. Bei zentralen Baustoffen wie Stahl und Zement sollte zudem die grüne Variante zum Standard werden, während konventionelle Versionen nur noch in Ausnahmefällen in Frage kommen sollten. Zuletzt könnten in manchen Beschaffungssegmenten obligatorische Kriterien zur Resilienz von Lieferketten oder der Cybersicherheit dafür sorgen, dass ein zusätzlicher »Buy-European-Effekt« eintritt.
Allein mit nachfrageseitigen Instrumenten ist die industriepolitische Wende nicht zu bewerkstelligen — denn es braucht öffentliche und private Investitionen in gigantischer Größenordnung, die den Umbau der Industrie ermöglichen. Hierfür will die EU-Kommission das Recht für staatliche Beihilfen anpassen und einen Fonds zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit schaffen.
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