Nach Donald Trumps Sieg darf Europa nicht länger nur Absichtserklärungen abgeben, sondern muss sich dringend neu aufstellen und Einfluss auf das Weltgeschehen nehmen – ohne falsche Erwartungen an die USA. Die sozioökonomischen, klimatischen und geopolitischen Herausforderungen des Planeten lassen sich unmöglich lösen, wenn die EU weiter nach dem Einstimmigkeitsprinzip aller 27 Mitgliedstaaten entscheidet. Und das ist leider bei allen wichtigen haushalts- oder finanzpolitischen Beschlüssen der Fall.
Der einzige Ausweg aus dieser Sackgasse wären konkrete Vorschläge aus den Kernstaaten, insbesondere Frankreich und Deutschland, wie haushaltspolitische und institutionelle Fortschritte unabhängig von der Zustimmung aller Mitgliedstaaten gelingen können. Ein solches Kerneuropa wurde schon mehrfach konzipiert, zuletzt im Bericht von Mario Draghi, der einen massiven Investitionsplan vorschlug.
Es ist an der Zeit, den Plan umzusetzen und wirklich weiterzukommen. Dafür müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein: Die Kerngruppe muss auf einer soliden institutionellen und demokratischen Grundlage stehen. Deutschland muss bereit sein, mit Frankreich, Italien oder Spanien zusammenzuarbeiten – vor allem in Haushaltsfragen. Auch müssen verschiedene politische Strömungen, von rechts bis links, innerhalb der Länder und auf europäischer Ebene einbezogen werden.
Zum ersten Punkt: Für demokratisch legitimierte haushalts- und finanzpolitische Entscheidungen benötigt die Kerngruppe einen soliden institutionellen Rahmen. Der passendste Ausgangspunkt wäre die Deutsch-Französische Parlamentarische Versammlung (DFPV), die 2019 im Zuge der Erneuerung des Élysée-Vertrags entstand. Diese noch junge und recht unbekannte Institution besteht aus hundert Abgeordneten aller Fraktionen der Assemblée Nationale und des Bundestags. Sie tagt zwei- bis dreimal im Jahr und hatte bisher nur eine beratende Funktion.