»Deutschland steckt in seiner tiefsten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten«. Mit dieser nicht ganz zutreffenden Aussage versucht CDU-Vorsitzender Friedrich Merz in der Bevölkerung das ihm nützende Problembewusstsein zu schaffen. Denn Deutschland braucht mehr Wachstum. Und dieses Wachstum will Merz herstellen, indem er die Lohnabhängigen zu Verzicht zwingt, um so die Bedingungen für die Unternehmen zu verbessern – ihnen also höhere Gewinne in Aussicht stellt. Zwar haben insbesondere kleinere Unternehmen tatsächlich zu kämpfen. Bei den großen Kapitalgesellschaften dagegen florierte auch im Krisenjahr 2024 das Geschäft. Das zeigt sich an den Abermilliarden, die an die Anteilseigner ausgeschüttet werden.
Nicht nur Merz, auch die deutschen Unternehmerverbände klagen. Laut Umfrage des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) bewerteten zum Jahreswechsel 31 von 49 Branchenverbänden ihre Lage schlechter als ein Jahr zuvor, 25 Verbände erwarteten Stellenabbau in ihrem Sektor. Als Ursachen werden hohe Energiekosten genannt, Fachkräftemangel, Bürokratie, mangelnde Nachfrage und geopolitische Unsicherheit.
Um die Bedingungen für private Investitionen zu verbessern, zielen CDU und SPD auf Kostensenkungen: Unternehmensteuern sollen sinken und Umweltauflagen reduziert werden. Der Sozialetat – insbesondere die Rente – gerät in den Spar-Fokus jener, die Staatsausgaben ebenso wie Lohnnebenkosten perspektivisch drücken wollen. Dazu kommen Ideen zur Mobilisierung von Arbeitskraft: Die tägliche Höchstarbeitszeit soll aufgehoben werden, Feiertage gestrichen und mehr Druck auf Arbeitslose und Lohnabhängige ausgeübt werden. Hinzu kommen Appelle an die Arbeitsmoral: Eltern, Rentner, Migranten sollen mehr Leistung bringen – so als wäre in einer hochentwickelten Industriegesellschaft das Wachstum ein Resultat individuellen Fleißes. »Wir sind da für jene, die sich abrackern«, sagte SPD-Chef Lars Klingbeil.
All das soll letztlich die Gewinne und die Investitionsrenditen der Unternehmen steigern. Dabei sieht es hier gar nicht schlecht aus, zumindest bei den Großen, wie die jüngsten Zahlen zu den erwarteten Dividendenausschüttungen belegen. Trotz Wirtschaftskrise sind die Nettogewinne der größten deutschen Unternehmen ordentlich und trotz massiver Investitionsbedarfe schütten sie Abermilliarden ihrer Gewinne an ihre Anteilseigner aus.
Dividendensumme wächst
Laut Schätzung des Handelsblatts dürften die 40 Konzerne aus den Deutschen Aktienindex (Dax) 2024 rund 109 Milliarden netto verdient haben – so viel wie im Vorjahr. Zwar ging es in einigen Sektoren abwärts, gerade bei den Autobauern. Ausgeglichen wurde dies jedoch durch andere Branchen wie Gesundheit, Versicherer, Banken, aber auch bei Industriebetrieben wie BASF oder Rheinmetall.
In der Folge werden die für 2024 ausgeschütteten Dividenden der hundert größten deutschen Aktiengesellschaften nicht wie noch kürzlich von Analysten erwartet sinken, sondern leicht steigen. Etwa drei Viertel von ihnen halten ihre Ausschüttung an die Aktionäre stabil oder erhöhen sie. Die DZ Bank rechnet mit 61 Milliarden Euro, bis 2027 werde diese Summe bis auf 78 Milliarden Euro steigen, prognostiziert die Bank.
Warum lief es trotz der Horrormeldungen so gut? Das Handelsblatt nennt zum einen »einen straffen Konzernumbau oder Effizienz- und Sparprogramme«, sprich Job-Abbau. Dazu kam, dass einige Unternehmen ihre Freiheit zur Preiserhöhung nutzten, was sich im Rest der Gesellschaft als Inflation und Kaufkraftverlust bemerkbar machte. Vonovia beispielsweise profitierte von Mieterhöhungen, und das gute Ergebnis der Versicherer dürfte auch darin gründen, dass sich laut Statistischem Bundesamt 2024 Versicherungsdienstleistungen um über 13 Prozent verteuerten. Ein weiterer Grund für gute Gewinne schließlich liegt am starken Auslandsumsatz. Die Dax-Konzerne machen rund 80 Prozent ihrer Umsätze jenseits der deutschen Grenze. Bei den Unternehmen aus den Börsenindizes MDax und SDax sollen es immer noch 60 bis 70 Prozent sein. Offenbar gibt es im Ausland die Nachfrage, deren Fehlen in Deutschland immerzu beklagt wird.
Abonniere unseren kostenlosen Newsletter, um diesen Text weiterzulesen:
Zum NewsletterGibt’s schon einen Account? Login