Über Denkschulen und Wirtschaftssysteme hinweg ist der Überschuss, das Surplus, das Herzstück des Wirtschaftens. So produzierten die Menschen nach der Sesshaftwerdung mehr, als sie für sich brauchten. Das landwirtschaftliche Surplus wurde die materielle Grundlage für komplexere Gesellschaften. Mit dem Kapitalismus wurde das finanzielle Surplus dann zum Kern des Wirtschaftens. Damit ging auch ein Potenzial einher, dass der britische Labour-Politiker Aneurin Bevan so auf den Punkt brachte: »Freiheit ist das Nebenprodukt des wirtschaftlichen Überschusses.«
Doch obwohl der gesamtwirtschaftliche Überschuss steigt, nehmen Wohlstand und Freiheit bei der großen Mehrheit nicht mehr zu. Krisen häufen sich – von den Lebenshaltungskosten über das Klima bis zur Industrie. Verantwortlich dafür ist eine Politik, die auf blinde Marktgläubigkeit, Sparmaßnahmen für die große Mehrheit und Geschenke für die Großkonzerne und Superreiche setzt. Diese Marktgläubigkeit beherrscht noch immer die Köpfe vieler Ministerien, Medienhäuser und Menschen. Mit Friedrich Merz und Donald Trump droht ein Revival eines knallharten Neoliberalismus. Gleichzeitig fehlt es denjenigen, die sich für Gerechtigkeit, Wohlstand und Nachhaltigkeit einsetzen, oft an ökonomischem Verständnis.
Deshalb spukt die Idee eines neuen Wirtschaftsmagazins schon seit Jahren in unseren Köpfen. Dass es schon eine ganze Reihe an Wirtschaftsmagazinen gibt, hält uns nicht davon ab, nun ein neues zu starten. Denn wir verstehen Wirtschaft nicht nur als Thema für Börsengurus, Millionärssöhne und Start-Up-Heinis. Wir stellen die alltäglichen Themen wie Löhne, Mieten und Preise in den Mittelpunkt. Unser Ziel ist eine Wirtschaft, die der großen Mehrheit und nicht den Reichsten dient.
Daher bringen wir führende ökonomische Denkerinnen und Denker aus Deutschland und der Welt zusammen und gründen das Wirtschaftsmagazin Surplus. Die Erstausgabe dreht sich um die »Wege aus dem Wirtschaftschaos«, denn Marktfundamentalisten gefährden unsere Zukunft. Es wird Zeit für eine neue Wirtschaftspolitik. Adam Tooze fragt in der Ausgabe, wie der gesellschaftliche Überschuss in Zukunft genutzt werden kann und zeigt Wege auf, um Wohlstand und Freiheit zu fördern. Isabella Weber zeigt am Beispiel der Schifffahrt, wie die Herrschaft des freien Marktes ins Wirtschaftschaos führen könnte und was Gegenmaßnahmen sind. Warum es Hoffnung für den Globale Süden gibt, erklärt die indische Ökonomin Jayati Ghosh. Thomas Piketty blickt in die Vergangenheit und analysiert die Umverteilung des Überschusses im letzten Jahrhundert in Deutschland.
Auch wenn sich unsere Ausgabe um die »Wege aus dem Wirtschaftschaos« dreht, stehen uns erstmal harte Monate bevor. Der politische und ökonomische Rechtsruck wird sich verstärken. Angriffe auf Freiheit, Sozialstaat und Klimaschutz sind an der Tagesordnung. Surplus richtet sich an all jene, die sich in diesen schwierigen Zeiten besser zurechtfinden und die Hoffnung auf eine gerechtere Wirtschaftsweise nicht aufgeben wollen.
Viel Spass bei der Lektüre
Lukas Scholle