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Das Wirtschaftsmagazin

Tooze: Europa braucht Verteidigung ohne Militarismus

Deutschland und Europa brauchen angesichts der geopolitischen Umwälzungen eine europäische Armee. Und auch eine neue Friedensbewegung.

7 Minuten Lesedauer
Collage: Surplus, Material: Eike Wörrlein, IMAGO / photothek

Die Rede von der Wiederbewaffnung Deutschlands heute ruft die Geister der Vergangenheit hervor. Wie immer, wenn es um Geschichte geht, stellt sich die Frage, welche Geschichte gemeint ist und wie sie interpretiert wird. Der Streit darum kann explosiv sein. Daher sollten wir ehrlich miteinander sein. Die Frage, wie das Ende des Kalten Krieges, die NATO-Erweiterung, Putins Revisionismus und die Politik des Westens gegenüber der Ukraine zu interpretieren sind, spaltet das progressive Lager nirgendwo mehr als in Deutschland.

In der Zeit der Globalisierung konnte die Frage der Friedens- und Sicherheitspolitik in den Hintergrund treten. Deutsche Politiker und Politikerinnen konnten glauben, von Freunden umgeben zu sein. Die globale Geopolitik wurde im Namen der Expansion des Kapitals befriedet. Die großen westlichen Ölkonzerne arbeiteten mit Putins Regime zusammen. Es war die Wall Street und nicht das Pentagon, das den Ton in den Beziehungen zwischen Washington und Peking angab. Es dominierte das »Friedensinteresse«, wie der Wirtschaftshistoriker Karl Polanyi vielleicht gesagt hätte. 

Seit der Verschlechterung der Beziehungen der USA zu China und dem Angriff Russlands auf die Ukraine sind Wirtschafts- und Geschäftsinteressen der Geopolitik untergeordnet. Mit der Zeitenwende kehrt für die progressive Politik die Frage nach außenpolitischer Macht, Geopolitik und Frieden zurück. Gibt es sicherheitspolitische Positionen, denen wir zustimmen können?

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Adam Tooze

Adam Tooze ist Professor für Wirtschaftsgeschichte an der Columbia University in New York und Herausgeber von Surplus.