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Das Wirtschaftsmagazin

Die verschobene Inflation

Die Leitzinspolitik der Zentralbanken im Norden verschiebt die Inflation in den Globalen Süden. Das trifft dort vor allem die ärmeren Klassen.

Frauen kaufen importierte Lebensmittel auf dem Kumasi-Markt in Ghana Credit: IMAGO/DanitaDelimont

Es wirkt, als hätten die Leitzinserhöhungen von Europäischer Zentralbank und Federal Reserve ihren Dienst getan. Die Inflationsraten sind in Nordamerika und Europa wieder nah an den angestrebten Zielmarken von 2 Prozent. Im Dezember 2024 lagen sie in Deutschland bei 2,6 Prozent, in den USA bei 2,7 Prozent. 

Doch ist das wirklich Resultat der Leitzinspolitik? Fragt man den ökonomischen Mainstream, lautet die Antwort: Ja. Große Teile der politischen Arena teilen diese Interpretation. Die Zinserhöhungen der EZB ab 2022 seien »ein Signal, dass Frankfurt entschlossen die Inflation bekämpft«, so der Finanzminister a.D Christian Lindner. Auch Friedrich Merz unterstützt die Erhöhung der Leitzinsen. Doch es ist unwahrscheinlich, dass die Dämpfung der Kreditvergabe durch das Privatbankensystem (der Effekt, auf den die EZB mit erhöhten Leitzinsen abzielt) die Inflation bekämpft hat. Zur Erinnerung: Die entsprang einer angebotsseitig ausgelösten Geldentwertung nach der Corona-Pandemie. Die EZB kann rein logisch durch Leitzinspolitik keinen direkten Einfluss auf die gestiegenen Nahrungsmittel- oder Gaspreise ausüben. Was die Erhöhung des Leitzinses bewirkt, ist die Dämpfung der Gesamtnachfrage. Diese trägt in Verbindung mit wegbrechenden Exportmärkten zur aktuellen Rezession und realen Wachstumsraten von null Prozent bei.  

Neben diesem Effekt gibt es einen zweiten Weg, über den die Leitzinserhöhungen die Inflation in den kapitalistischen Zentren dämpfen. Der ist jedoch kaum bekannt. Er verläuft über die Geldentwertung in die Peripherien, also den Globalen Süden und die wirtschaftlich abhängigen Staaten im Globalen Norden. Die Auslagerung von Wechselkurs- und Inflationsdruck hält die Preise für die Importe von Rohstoffen in die kapitalistischen Zentren niedrig und dämpft so die hiesige Geldentwertung. 

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