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Das Wirtschaftsmagazin

Wie Joan Robinson die Ökonomik revolutionierte

Joan Robinson revolutionierte die Wirtschaftswissenschaften. Sie entkräftete Fehlannahmen der neoklassischen und keynesianischen Theorie und trug zur Entwicklung des Linkskeynesianismus bei.

Joan Robinson als junge Frau. Collage: Andy King

Als die Ökonomin Joan Robinson 1976 auf Milton Friedman traf, kam es zum Eklat: »Don’t give me this monetarist shit«, rief sie ihrem Kontrahenten bei einer Podiumsdiskussion in Chicago zu – so erinnert sich ihr ehemaliger Student, der Wirtschaftswissenschaftler John Eatwell, mehr als fünfunddreißig Jahre nach Robinsons Tod. An Friedman und Robinson entzündete sich der Konflikt zweier ökonomischer Weltanschauungen: Friedman warnte vor einer gestaltenden Rolle von Staat und Gewerkschaften in der Wirtschaft. Robinson kämpfte gegen die Vorstellung sich selbstregulierender Märkte, da diese weder Vollbeschäftigung noch eine wünschenswerte Verteilung von Arbeit und Ressourcen ermöglichen würden.

Bekannt für ihre scharfe Analyse des Kapitalismus und ihr charismatisches Auftreten, revolutionierte Robinson Ende des 20. Jahrhunderts als Leserin von John Maynard Keynes, Karl Marx und Rosa Luxemburg die Wirtschaftswissenschaften. Sie widerlegte einige Annahmen sowohl der neoklassischen als auch der keynesianischen Theorie und trug entscheidend zur Entwicklung eines materialistischen Linkskeynesianismus bei. Sie erlebte den liberalen Siegeszug der monetaristischen Wirtschaftspolitik unter Thatcher und Reagan. Das von ihr prognostizierte Scheitern dieser Politik trat erst nach ihrem Tod ein.

Eine Welt der Männer an der Universität Cambridge

Als die junge Robinson 1929 ihr Wirtschaftsstudium an der Universität Cambridge aufnahm, ahnte niemand, dass sie zu einer der schärfsten Gegnerinnen der etablierten Wirtschaftslehre und patriarchaler Strukturen werden würde. Geboren 1903 in einer reichen Familie im britischen Camberley, war sie schon früh mit den Gepflogenheiten der englischen Oberschicht vertraut. Trotz akademischer Brillanz wurden Robinson zu Beginn ihrer akademischen Laufbahn Steine in den Weg gelegt. Sie konnte ihr Studium nicht abschließen, da die im nach viktorianischen England tief verwurzelten sexistischen Strukturen Frauen benachteiligten. Zwar konnten Frauen an einigen Universitäten studieren und sogar den Titel eines Abschlusses erwerben, doch der offizielle Abschluss wurde nicht anerkannt. So erging es auch Robinson. Frustriert und ohne Abschluss beschloss die Mittzwanzigerin, mit ihrem Lebensgefährten Austin in die damalige britische Kolonie Kerala in Indien zu gehen, wo er als Privatlehrer arbeitete.

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