In Deutschland brauchen wir keinen sogenannten Islamischen Staat und keine Taliban-Herrschaft, um Kunst und Kultur zu zerstören. Erledigt wird dies auf eine feinere Art und Weise: durch Mittelentzug. Auf 130 Millionen Euro belaufen sich die Kulturkürzungen in Berlin. Städte wie Dresden und Köln ziehen nach. Wo bleibt der Protest? Nur ein paar Hundert Künstlerinnen und Künstler, vielleicht waren es Tausend, gingen in Berlin auf die Straße, um handzahm darauf zu verweisen, dass Kunst und Kultur gleichbedeutend mit Demokratie sind. Genau das ist allerdings zu bezweifeln, da die Entstehung und Produktion von Kunst wenig demokratisch sind. Zudem würde – müsste die Kunst Mehrheitsvoten erlangen, von Beethoven bis auf die Neunte, von Mozart bis auf Die Zauberflöte und von Goethe bis auf ein paar Gedichte alles ausrangiert werden. Der Verweis auf »die Demokratie« zeigt die gesamte Hilflosigkeit des Kulturbetriebs. Demokratisch sollte allein der Zugang zu Kunst sein – dieser wird jedoch gerade verstellt, indem Eintrittspreise steigen oder Veranstaltungen ersatzlos gestrichen werden.
Berlin, Dresden und Köln bilden erst den Anfang, da derzeit kürzungslustige Politiker, denen ästhetische Subversion ohnehin ein Dorn im Auge ist, beobachten können, wie einfach man mit der Barbarei durchkommen kann. Feuilletonisten empören sich kaum, manche unterstützen den Sparkurs sogar, indem sie vernünftelnd auf fehlendes Geld verweisen. Dass die Knappheit von finanziellen Mitteln eine politische Entscheidung ist – Stichwort: Schuldenbremse – und keine reale Knappheit, verstehen Kulturjournalisten nur in Ausnahmefällen.
Diese Lernschwäche teilen sie mit den meisten Menschen im Kulturbetrieb, die ökonomisch völlig ahnungslos sind. Maximal kursieren einige Phantastereien zu Bedingungslosem Grundeinkommen und Degrowth. Oder es wird eine kulturalistische Neoliberalismus-Kritik im poststrukturalistischen Gewand artikuliert, die sich fernab von realwirtschaftlichen Analysen als auch von marxistischer Theorie bewegt. Die Austeritätspolitik ist tief in den Kulturköpfen verankert. Hinzu kommt eine Konformität mit den jeweils herrschenden Regierungen und den vorherrschenden Meinungsführern, als seien die Künste neben der vierten, medialen Gewalt die fünfte, die ebenfalls zur Stabilisierung des Status quo gebraucht wird. Würde man Theaterleute zwischen Budgeterhöhungen für Kultur oder Militär wählen lassen, könnte man bei Rheinmetall schon mal den Sekt kaltstellen.
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