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Das Wirtschaftsmagazin

Der Lärm der Kettensäge

In der zweiten Ausgabe von Surplus geht es um den »Lärm der Kettensäge« und wie Rechte unsere Wirtschaft zerstören wollen.

2 Minuten Lesedauer
Collage Surplus

Die politische Mitte liegt im Sterben. Ihre Parteien handeln fast nur noch im Modus der Krisenverwaltung. Sie sind kaum mehr in der Lage, die Lebensbedingungen der Menschen merklich zu verbessern. Inhaltlich unterscheiden sie sich zunehmend weniger. Auch deswegen verlieren sie rapide an Zustimmung. In Deutschland scheint sich die politische Mitte noch eine Legislaturperiode über Wasser halten zu können, doch die Ära der Kettensäge ist längst angebrochen.

Europaweit stehen die rechten Parteien bei 24 Prozent und sind damit erstmals stärker als sozialdemokratische und konservative Parteien. Damit stehen sie sogar höher als bei den Wahlen der 1930er Jahre, die in den Faschismus führten.

Würde man bei den 24 Prozent für Rechtsaußen in Europa noch die USA mit Trump hinzuzählen, wo der Faschismus bereits um sich schlägt, stünden sie sogar bei 35 Prozent. Es bleibt aber nicht bei Wahlerfolgen: In vielen Ländern Europas und darüber hinaus sitzen die radikalen Rechten längst in den Regierungssesseln. Dort schaffen sie die Demokratie und den Sozialstaat ab, wie Patrick Kaczmarczyk in seinem Länderporträt über Argentinien zeigt.

Zudem haben sich Konservative längst der Agenda der Rechten verschrieben. Das zeigte sich zuletzt auch, als Merz die Brandmauer einriss, um gemeinsam mit der AfD einen Antrag gegen Migration einzubringen. Der Rechtskurs betrifft jedoch nicht nur die Migrationspolitik. Auch wirtschaftspolitisch ertönt mit dem Knattern der Kettensäge ein neuer Lärm. Nicht Entbürokratisierung ist das Ziel, die tatsächlich die große Mehrheit entlasten würde. Vielmehr wollen die Rechten einen politischen Kahlschlag, der mit Austeritätspolitik und Angriffen auf die arbeitende Mehrheit einhergeht, wie die Wirtschaftsprofessorin Clara Mattei im Interview erklärt. Die libertäre Rechte will den »Staatsapparat der autoritären Logik der Privatwirtschaft« unterwerfen, meint die Rechtsprofessorin Katharina Pistor in ihrem Essay. Es soll das Recht des Stärkeren gelten. 

Auch wenn Konservative sich bisher seltener der Metapher der »Kettensäge« bedienen, entspricht ihre Politik dem, was Javier Milei oder Elon Musk praktizieren – nur eben in einer weichgespülten Variante: Behörden schließen, Menschen im Staatsapparat feuern, andere zu Mehrarbeit zwingen und den Planeten verbrennen lassen. Rechts der Konservativen posiert Alice Weidel ganz offen mit Elon Musk. Ob die AfD bald auch die Alternative fürs Kapital wird, analysiert Sebastian Friedrich. Sozialdemokraten und Grünen teilen die Ideologie der Kettensäge zwar weniger als Konservative, doch auch ihnen ist das Kettensägen-Denken nicht fremd. So bejahte Olaf Scholz sogar die Notwendigkeit der Kettensäge gegen die Bürokratie im Kanzlerduell gegen Friedrich Merz, während dieser den Begriff ablehnte. Robert Habeck ging noch weiter als Scholz und wollte beim Lieferkettengesetz »die Kettensäge anwerfen und das ganze Ding wegbolzen«. 

Nachdem wir monatelang den Lärm der Kettensäge von der anderen Seite des Atlantiks hören konnten, scheinen sich auch deutsche Politikerinnen und Politiker an diesen zu gewöhnen. Daher ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Kettensäge angesichts der Mehrheitsverhältnisse auch vermehrt in Deutschland und Europa eingesetzt wird. Jene sozialen und klimapolitischen Errungenschaften vor der Kettensäge zu schützen, ist die Aufgabe dieser Tage. Dafür braucht es eine missionsorientierte Wirtschaftspolitik, wie sie Mariana Mazzucato in dieser Ausgabe beschreibt.

Viel Spaß bei der Lektüre
Lukas Scholle

Lukas Scholle

Lukas Scholle ist Ökonom, Gründer und Chefredakteur von Surplus.