Marcel Fratzscher ist Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Im Gespräch erklärt er, welche ökonomischen und politischen Prioritäten eine neue Bundesregierung setzen muss.
Surplus: Herr Fratzscher, wie blicken Sie auf diesen Wahlkampf?
Marcel Fratzscher: Der Wahlkampf deprimiert mich. Wir sehen einen Verteilungswahlkampf wie nie zuvor. Die Parteien rechts der Mitte versprechen gigantische Steuersenkungen: 100 Milliarden Euro will die Union senken, über 180 Milliarden wollen jeweils AfD und FDP senken. Dabei soll der größte Teil der Erleichterungen an die oberen 10 Prozent gehen. Die untere Hälfte ginge komplett leer aus. Auch links der Mitte läuft einiges falsch: Unter den Rentenplänen von SPD und Linken würde vor allem die junge Generation leiden.
Die Wahlprogramme sind das eine, die reale Politik das andere. Was erwarten Sie von einem Bundeskanzler Merz?
Ich erwarte, dass er erst einmal Ruhe ins Land und in die Politik bringt. Der Streit innerhalb der Ampelregierung, die schlechte Kommunikation, hat enormen Schaden angerichtet. Ich will nicht sagen, dass das Deutschlands einziges Problem ist. Bei weitem nicht, aber wir brauchen wieder mehr Verlässlichkeit, mehr Ruhe, mehr Sachlichkeit und eine Bundesregierung, die handlungsfähig ist.
Außerdem brauchen wir dringend eine große Investitionsoffensive. Konkret muss in gute Infrastruktur, Bildung, Klimaschutz und Innovationen investiert werden, also in die wirtschaftliche und soziale Transformation. Das müsste die große, große Priorität sein, die ich mir von einer neuen Bundesregierung wünschen würde. Aber ich glaube, sie wird nicht in dem Maße stattfinden, wie sie notwendig ist. Aber ich hoffe, dass man sich durchringen wird, an der Schuldenbremse vorbei, Sondervermögen einzurichten, sowohl für Verteidigung, aber eben auch für Investitionen, damit zumindest ein gewisser Impuls zustande kommt.
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