Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem Buch »Unverdiente Ungleichheit. Wie der Weg aus der Erbengesellschaft gelingen kann« von der Ungleichheitsforscherin Martyna Linartas. Das Buch ist am 15. April 2025 bei Rowohlt erschienen.
Die mit Abstand am häufigsten angeführte Erzählung der Wirtschaftselite dreht sich – es verwundert kaum – um die Wirtschaft. Sie dürfe bloß keinen Schaden nehmen und durch Steuern belastet werden (selbst nach Meinung der Wirtschaftsbosse, die sich generell für eine Stärkung der Erbschaftsteuer aussprechen). Es ist das vielleicht meistverbreitete und mächtigste Narrativ in der gesamten Steuerdebatte: Steuern seien schlecht für die Wirtschaft und Unternehmen. Wenn die Steuern für Reiche und Unternehmen gesenkt würden, würde die Wirtschaft angekurbelt und neue Arbeitsplätze würden entstehen. Die Rede ist vom sogenannten Trickle-Down-Effekt. Eine Untersuchung von 18 OECD-Ländern über 50 Jahre hat sich diese Annahme ganz genau angesehen und festgestellt: Der Effekt von Steuersenkungen auf die Wirtschaftsleistung war «nicht von null zu unterscheiden»; Arbeitsplätze wurden keine geschaffen. Der einzige lang anhaltende Effekt der Steuersenkungen: Die Ungleichheit ist konstant gestiegen. Um die Forschungsergebnisse in aller Klarheit zusammenzufassen: Der Trickle-Down-Effekt ist Bullshit.
Riesige Vermögen sind ein Problem
Was dabei häufig aus dem Blick gerät: Dass die Ungleichheit immer weiter wächst, schadet der Wirtschaft ebenfalls. Wirtschaft, Gesellschaft, Umwelt, Demokratien –sie alle leiden darunter, wenn die Kluft wächst. Dies ist weitestgehend wissenschaftlicher Konsens sowie jener der Staatengemeinschaft, wie es im Nachhaltigkeitsziel der Vereinten Nationen Nr. 10 zum Ausdruck kommt. Um der Vermögensungleichheit die Stirn bieten zu können, brauchen wir wirkungsvolle Instrumente. Und eines der wirkungsvollsten Instrumente im 20. Jahrhundert waren Steuern auf Vermögen. Ob das den Wirtschaftsakteuren gefällt oder nicht. Meines Erachtens wäre es fatal, sie ungenutzt zu lassen. Denn wie sähe die Alternative aus?
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