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Das Wirtschaftsmagazin

Koalition von CDU und AfD: Wie sähe die Wirtschaftspolitik aus?

Ökonomisch gehen Merz und Weidel schon lange in dieselbe Richtung. Eine solche Koalition wäre braun-neoliberal.

Friedrich Merz und die AfD-Fraktion mit Alice Weidel. IMAGO / photothek

Die Brandmauer ist gefallen: Die Union hat gemeinsam mit der AfD und FDP einen Entschließungsantrag zur Abschottungspolitik im Bundestag verabschiedet. Die Zusammenarbeit von demokratischen Parteien mit einer rechtsextremen Partei markiert eine Zäsur in der Geschichte der Bundesrepublik – ausgerechnet kurz nach dem 80. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz. Mit dem im Bundestag knapp gescheiterten Gesetzentwurf zum »Zustrombegrenzungsgesetz« hat die Union ihre Ambitionen untermauert. Der nächste Schritt könnte eine engere Zusammenarbeit sein. Zwar wird eine schwarz-blaue Koalition im Bund bislang rhetorisch ausgeschlossen – doch nach dem 29.01.2025 wirkt dieses Versprechen kaum noch glaubwürdig. Denkbar wäre zudem eine CDU-geführte Minderheitsregierung nach der Bundestagswahl 2025, die regelmäßig mit der AfD Mehrheiten für Gesetzesentwürfe bildet.

Dafür spricht, dass AfD und Union neben der Abschottungspolitik auch wirtschaftspolitische Gemeinsamkeiten haben. Wir wagen ein Gedankenexperiment zu diesem düsteren Szenario – basierend auf den aktuellen programmatischen Positionen beider Parteien.

Einigkeit 1: Steuergeschenke für die Reichen

In einem solchen Szenario wäre die erste Linie einer schwarz-blauen Koalition, üppige Steuersenkungen für die Reichsten, während Menschen mit mittleren und kleinen Geldbeuteln leer ausgehen. Die Union kündigte in ihrem Wahlprogramm 2025 Steuerentlastungen von 99 Milliarden Euro im Jahr an, von denen 28 Milliarden an das reichste Prozent der Bevölkerung gehen. Pro Kopf würde das bedeuten, dass die CDU das reichste eine Prozent um durchschnittlich 33.333 Euro pro Jahr entlastet. Die AfD fordert in ihrem Wahlprogramm 182 Milliarden Euro Steuerentlastungen pro Jahr, von denen sogar 34 Milliarden an das reichste Prozent fließen sollen. Das bedeutet: Besonders Vermögende würden von einer schwarz-blauen Koalition profitieren.

Besonders deutlich wird das an der gemeinsamen Forderung von Merz und Weidel, den Solidaritätszuschlag abzuschaffen. Es ist eine Sondersteuer, die vor allem Hochverdiener sowie ihre Unternehmensgewinne und Kapitalerträge belastet. Beide möchten auch die Unternehmenssteuern senken und Abschreibungsregeln verbessern, was primär den Unternehmenseigentümern zugutekommt – auch das zahlt auf die Depots und Konten der Vermögenden ein. 

Außerdem wirbt die AfD in ihrem Wahlprogramm dafür, die Erbschaftssteuer komplett abzuschaffen, was Mindereinnahmen von 10 Milliarden Euro pro Jahr bedeuten würde. Zwar setzt sich Merz nur dafür ein, die Freibeträge bei der Erbschaftsteuer zu erhöhen. Beide Parteien könnten sich auf einen Kompromiss verständigen, um die Reichen davor zu schützen, ihre Erbschaften versteuern zu müssen. 

Einigkeit 2: Kürzungen für die große Mehrheit

Der zweite Punkt, an dem die CDU und AfD schnell zusammenfinden würden, wäre die Schuldenbremse. Für beide Parteispitzen ist die Schuldenbremse in ihrer derzeitigen Form der heilige Gral. Solange sie gilt, müssten die Steuersenkungen für Reiche durch Kürzungen im Sozialstaat oder Steuererhöhungen ausgeglichen werden. Über die Folgen einer solchen Politik, die die Binnennachfrage weiter schwächen würde, da sie zu Einschränkungen des Konsums bei mittleren und kleinen Einkommen führen würde, denken weder Weidel noch Merz groß nach. Zusätzlich würde die Wirtschaft lahmen, da die Reichen eine höhere Sparquote haben und ihre Ersparnisse in Finanzanlagen parken. Menschen mit mittleren und niedrigen Einkommen geben fast ihr gesamtes Einkommen aus und kurbeln die Realwirtschaft an. 

Einigkeit 3: Arbeit muss sich wieder lohnen, vor allem für Arbeitgeber

In der Lohnpolitik würden CDU und AfD Beschäftigte unter Druck setzen. Dass »Arbeit sich nicht mehr lohne«, war sowohl in der Wahlwerbung der CDU als auch der AfD zu lesen. Schuld daran sei jedoch nicht das geringe Lohnniveau, sondern das Bürgergeld. Beide Parteien sind sich einig: Das Bürgergeld soll in seiner jetzigen Form abgeschafft werden. Die CDU fordert in ihrem Programm eine »Neue Grundsicherung«, die fast identisch klingt mit der »aktivierenden Grundsicherung« der AfD. Die Folge dürften vor allem härtere Sanktionen sein. 

Beide Parteien betonen, am Mindestlohn festhalten zu wollen. Festgelegt werden soll die Höhe des Mindestlohns jedoch nicht. Die Mindestlohnkommission soll entscheiden. Auch die Maßnahmen zur Stärkung der Tarifbindung bleiben vage. Bei der AfD spielen sie keine Rolle. Die CDU wirbt zwar dafür, die Tarifbindung attraktiver zu machen. Gleichzeitig pocht sie auf »mehr Tariföffnungsklauseln«, die es Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden ermöglichen, von Tarifverträgen abzuweichen. 

Einigkeit 4: Sozialkürzungen und Mehrarbeit während der Rente 

Ergänzend zum Druck auf Erwerbslose, Geringverdienende und Arbeitnehmende gäbe es auch Druck in der Sozial- und Rentenpolitik. Die Union und AfD möchten das heteronormative Familienbild sozialpolitisch bevorzugen. Die Union propagiert Deutschland als »Familienland« und will das Elterngeld sowie die Elternzeit ausbauen. Die AfD sieht in einer völkischen Familienpolitik gar die Lösung für das Fachkräfteproblem. In ihrem Wahlprogramm wirbt sie dafür, jungen Familien eine Prämie von 20.000 Euro für Neugeborene auszuzahlen, die mit den Rentenversicherungsbeiträgen verrechnet wird. Zusätzlich sollen alle Familien ein unbegrenztes Familiensplitting erhalten, von dem insbesondere Familien mit Spitzenverdienst profitieren. Familien mit Millioneneinkommen bekommen dann für jedes Kind 19.240 Euro pro Jahr beim Einkommensteuertarif im Jahr 2025. Also Steuerersparnisse je Kind in Höhe eines Kleinwagens – jedes Jahr. Die AfD möchte die Kinderbetreuung vornehmlich in die Hände der Eltern legen. Die Folge wäre ein Abbau von schon heute knappen Kita- und Ganztagsschulplätzen. Eltern würde die Arbeitsaufnahme nach der Geburt ihres Kindes erschwert. Zudem würde der Plan der AfD, die Wehrpflicht sowie ein zusätzliches Dienstjahr einzuführen, junge Menschen für ganze zwei Jahre dem Arbeitsmarkt entziehen. 

In der Rentenpolitik gibt es zwar unterschiedliche Konzepte, aber deutliche Schnittmengen. Beide Parteien wollen die Rente nach 45 Beitragsjahren beibehalten, aber die Finanzierung bleibt unklar. Die AfD plant eine Erhöhung des Rentenniveaus auf 70 %, während die CDU auf Wachstum setzt. Beide Parteien wollen sie steuerliche Anreize für Weiterarbeit im Alter schaffen.

Einigkeit 5: Abschottung und Grenzzäune 

Die größte Übereinstimmung zwischen CDU und AfD zeigt sich in der Abschottungs- und Migrationspolitik. Und das nicht erst, seitdem Merz die Brandmauer eingerissen hat. Beide Parteien stehen für eine harte Abschottungspolitik von Grenzzäunen, Schlagbäumen und Stacheldrahtzaun. Die Union fordert einen »faktischen Aufnahmestopp« von Migrierenden und und will den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte aussetzen. Die AfD möchte »Haft und Gewahrsamszentren« in der Nähe von Flughäfen und Grenzen bauen. Beide Parteien wollen straffällig gewordenen Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft die deutsche Staatsbürgerschaft entziehen. Die AfD ist explizit und möchte das individuelle Recht auf Asyl aus dem Grundgesetz streichen. 

Doch auch für die Wirtschaft hätte das erhebliche Folgen. Schon heute fehlen in jedem sechsten Beruf Arbeitskräfte. Bis 2035 werden insgesamt gut sieben Millionen mehr Babyboomer in Rente gehen als Jüngere nachrücken. Dass die Zahl der Beschäftigten insgesamt dennoch stieg, lag allein an Zugewanderten ohne deutschen Pass. Laut den Berechnungen des IAB wird das Erwerbspersonenpotenzial in Deutschland aufgrund der alternden Gesellschaft in den kommenden Jahren schrumpfen: Ohne jegliche Zu- und Abwanderung würde es bis zum Jahr 2035 um 15 Prozent zurückgehen und im Jahr 2060 würden gut 16 Millionen Menschen weniger dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen als 2020. Den Unternehmen in Deutschland stünden dann im Jahr 2060 ein Drittel weniger potenzielle Arbeitskräfte zur Verfügung. Nur bei einer Nettozuwanderung von 400.000 Personen pro Jahr bliebe das Erwerbspersonenpotenzial bis 2035 annähernd konstant. 

Auch die von Union und AfD geforderten Grenzkontrollen würden die Wirtschaft sowie Pendlerinnen und Pendler belasten. Einer Studie des ifo-Instituts zufolge könnten Grenzschließungen den bilateralen Handel pro Grenzübertritt um etwa 2,7 Prozent verringern. Hauptgrund sind die Staus an den Grenzen. Das könnte zu einem Wachstumseinbruch von 0,1 bis 0,3 Prozent führen, da Deutschland stark vom Handel abhängt und geografisch zentral in Europa liegt. 

Streitpunkt 1: Klima- und Industriepolitik adé?

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