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Das Wirtschaftsmagazin

Mietenstopp gegen rechts

Wenn Mieten rasant steigen, wachsen Existenzängste und extrem rechte Parteien profitieren. Bezahlbarer Wohnraum ist Teil einer antifaschistischen Wirtschaftspolitik.

10 Minuten Lesedauer
Collage: Surplus, Material: Marzena Skubatz, IMAGO / Schöning

Niemand kann ohne ein Dach über dem Kopf langfristig leben. Wohnen ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Wer sich um das eigene Zuhause sorgt und befürchtet, sich die Wohnung im vertrauten Viertel bald nicht mehr leisten zu können, sieht seine Existenz bedroht. Das führt häufig zur Suche nach Alternativen zum bedrohlichen Status Quo. Solange die demokratischen Parteien keinen Ausweg anbieten, landen die Menschen zu oft bei der extremen Rechten. 

Steigt die Miete um 1 Euro pro Quadratmeter, wächst der Stimmenanteil der AfD bei Geringverdienenden um bis zu 4 Prozentpunkte. Das legt eine aktuelle Studie von Tarik Abou-Chadi, Denis Cohen und Thomas Kurer nahe. Dabei geht es nicht unbedingt nur darum, wie hoch die Miete tatsächlich ist. Sondern vor allem um das existenzielle Gefühl, durch immer stärker steigende Wohnkosten in der Nachbarschaft bedroht zu werden. Menschen, die dazu übergehen, extrem rechte Parteien wie die AfD zu wählen, muss es materiell nicht unbedingt schlecht gehen. Es reicht ein Ohnmachtsgefühl und die Angst vor Statusverlust.  

Die Inhalte rechter Parteien zu übernehmen, wie derzeit beim Thema Migration, ohne den sozialen Nährboden ihres Erfolgs zu adressieren, ist als Strategie der sogenannten Mitte im Kampf gegen rechts gescheitert. Dieses Vorgehen legitimiert vielmehr die Positionen rechter Parteien. 

Eine antifaschistische Wirtschaftspolitik muss diesen Nährboden austrocknen. Es geht um eine Wirtschaftspolitik, die die Grundbedürfnisse der Mehrheit als zentrales Ziel erfüllt, und das nicht als Nebeneffekt anderer Ziele vernachlässigt. Zudem geht es darum, dem Ohnmachtsgefühl und dem realen Abstieg der Menschen entgegenzutreten. Demokratische Parteien müssen zeigen, dass die Demokratie das Leben für alle leistbar und lebenswert machen kann. Bezahlbaren Wohnraum für alle zu schaffen, ist dabei ein wichtiger Baustein. Ansonsten erscheint die Demokratie für zu viele Menschen als ein hohles Versprechen. 

Bezahlbarer Wohnraum ist die wichtigste soziale Frage 

Denn die Wohnungskrise ist verheerend. Bundesweit sind die Bestandsmieten real seit 2014 um 14 Prozent erhöht worden, in Großstädten sogar um rund 25 Prozent, während die Reallöhne immer noch unter dem Vorkrisenniveau verharren. Bei Neuvermietungen liegt der Anstieg in Großstädten bei über 40 Prozent. In Berlin haben sich die Mieten sogar verdoppelt. Hinzu kommen Heizkosten, die seit 2021 durchschnittlich um 43 Prozent gestiegen sind. Die Lage in Deutschland ist besonders dramatisch, da hier rund die Hälfte der Menschen zur Miete wohnt.

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Isabella Weber

Isabella Weber ist Professorin für Volkswirtschaftslehre an der University of Massachusetts Amherst sowie Herausgeberin von Surplus.

Maxine Fowé

Maxine Fowé ist Ökonomin und Redakteurin bei Surplus. Sie hat Philosophie, Politik & VWL in Maastricht, London und Berlin studiert.