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Das Wirtschaftsmagazin

Warum es jetzt ein neues Wirtschaftsmagazin braucht

Mission Statement

Die Krisen zu Beginn der 2020er Jahre haben gezeigt, was mit wirtschaftspolitischem Willen möglich ist: Die Politik ließ die Furcht vor staatlicher Gestaltung hinter sich, kontrollierte Preise, hebelte Schuldenbremsen aus, schöpfte Übergewinne ab und vergesellschaftete Schlüsselunternehmen der Energiebranche. Nach Jahrzehnten neoliberaler Politik erschien eine Wirtschaftspolitik möglich, die den Bedürfnissen der Mehrheit und nicht den Interessen der Reichsten dient. Diese ersten Schritte eines wirtschaftspolitischen Paradigmenwechsels haben trotz ihrer zaghaften Ausgestaltung die Folgen der Krisen deutlich abgemildert. Der »freie Markt« hätte die Krisen verschärft.

Doch diese ersten Schritte waren nicht von Dauer. Die Politik fiel schnell in alte, marktliberale Denkmuster zurück, die selbst zur Misere beigetragen haben. Währenddessen spitzen sich die globalen Krisen immer weiter zu: Rekordtemperaturen, Reallohnverluste und Rezession verschlechtern die Lebensbedingungen vieler Menschen. Politisch profitieren weltweit rechte Parteien, die demokratische Institutionen aushebeln wollen. Eine neue Wirtschaftspolitik wird zur Überlebensnotwendigkeit für unsere Gesellschaft. Die Wirtschaftslage erinnert an den weltbekannten Essay Wirtschaftliche Möglichkeiten für unsere Enkel von John Maynard Keynes von 1931. Inmitten der Weltwirtschaftskrise und der Machtübernahme der Nazis bilanzierte er: »Wir leiden nicht unter Altersrheumatismus, sondern unter den wachsenden Schmerzen überschneller Veränderungen, unter der Schmerzhaftigkeit von Korrekturen beim Übergang von einer Wirtschaftsperiode in eine andere.« Trotz der sich abzeichnenden miserablen Wirtschaftslage verlor er die Zuversicht nicht: »Aber dies ist nur eine vorübergehende Phase der Fehlanpassung. Langfristig bedeutet all dies, dass die Menschheit ihr wirtschaftliches Problem löst.« 

Gerade wirtschaftliche Krisenmomente – seien es die 1930er oder die 2020er Jahre – erfordern wirtschaftspolitisches Umdenken. Wir schaffen ein mediales Gegengewicht zum wirtschaftsliberalen Mainstream, das den Paradigmenwechsel weiter vorantreibt: Surplus – Das Wirtschaftsmagazin.

Das Surplus, also der Überschuss, ist eines der zentralen Elemente des Wirtschaftens. Nach der Sesshaftwerdung produzierten die Menschen zum ersten Mal mehr, als sie für sich brauchten – das landwirtschaftliche Surplus war die materielle Grundlage für komplexere Gesellschaften. Mit dem Kapitalismus wurde das finanzielle Surplus dann zum Kern des Wirtschaftens. Das hatte zwar hohe Produktivitätsgewinne zur Folge, aber immer mehr Bereiche des Lebens wurden dem finanziellen Surplus, also dem Profitzwang, unterworfen – sogar die Daseinsvorsorge, Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen müssen ihm mittlerweile gehorchen. Wirtschaftstheoretisch reicht die Bedeutung des Surplus bis in die Anfänge der modernen Ökonomik. Das erste Kreislaufdiagramm der Gesamtwirtschaft, das berühmte tableau économique des französischen Arztes François Quesnay von 1759, stellte noch das von der Natur in Form von fruchtbaren Böden, Gewässern und Minen bereitgestellte Surplus in den Mittelpunkt. Mit Adam Smith wechselte der Fokus auf das durch marktförmige Arbeitsteilung erzeugte Surplus. Karl Marx untersuchte kritisch, wieso die direkten Produzenten, die arbeitenden Klassen, am wenigsten vom Mehrwert (surplus value) erhielten. Aber auch einer der Vordenker der Neoklassik, Alfred Marshall, stellte das Surplus Ende des 19. Jahrhunderts in den Mittelpunkt seiner Theorie: Aus Angebot und Nachfrage entstehe in einem Marktmodell der wirtschaftliche Überschuss (economic surplus), der sich in Konsumentenrente (consumer surplus) und Produzentenrente (producer surplus) aufteilt. 

Auch wenn man über die Analysen von Marx bis Marshall streiten mag, so zeigt sich doch, wie zentral das Surplus ist: Es geht um die Frage, wie Wohlstand von wem produziert und verteilt wird. Unser Wirtschaften zu demokratisieren ist auch für die ökologische Frage in Zeiten des Klimakollaps bestimmend. Wirtschaften wir für die Interessen der Wenigen – und zerstören damit den Planeten oder gestalten wir eine lebenswerte Zukunft für die große Mehrheit? 

Surplus ist zugleich auch eine ironische Anspielung auf die heiligen Kühe des ökonomischen Standardtheorie. So sollen etwa Preiseingriffe vermieden werden, weil sie den wirtschaftlichen Überschuss (economic surplus) verringern. Genauso hieß es, dass es Haushaltsüberschüsse (budget surplus) bräuchte, um kommende Generationen zu schützen. Gleichzeitig sei ein immer höherer Handelsüberschuss (trade surplus) der Sinn und Zweck einer Volkswirtschaft. Mit diesem Begriff des Überschusses spielt Surplus. Denn auf welche Größen geschaut wird und wie der Überschuss entsteht und verteilt wird, ist immer politisch. 

Hier setzt das Wirtschaftsmagazin Surplus an. Wir bieten eine bisher unterrepräsentierte Sichtweise auf die Wirtschaft. Dafür versammeln wir einige der wichtigsten Ökonominnen und Ökonomen aus Deutschland und der ganzen Welt. Wir bringen neue und erneuerte Argumente in die Debatte ein – über Analysen, Interviews und Briefings, von Tagespolitik bis Theorie, in kondensierter, zugespitzter und zeitgemäßer Form. Unser Anspruch ist es, für die Breite der Gesellschaft verständlich und erkenntnisbringend zu sein, von der Studentin über den Busfahrer bis zur Fachreferentin. Dafür braucht es einen weiten Blick vom Abstrakten ins Konkrete, von der Ökonomie in die Lebensbereiche, die sie prägt. Nur so lässt sich verstehen, wie Surplus entsteht und demokratischer verteilt werden könnte. 

— Die Redaktion

Unser erstes Printmagazin erscheint am 10. Februar 2025!

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