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Das Wirtschaftsmagazin

Die Profitlogik der Klimakrise

In Grönland und Kanada zeigt sich, wie die blinde Gier nach Profit ökologische Ausbeutung und soziale Instabilität vorantreibt. Doch es gibt Hoffnung.

Schäden der Teersandindustrie: Eine Vogelscheuche treibt auf einem verseuchten See. Foto: Markus Mauthe

Die Auswirkungen der Klimakrise sind überall: In Brasilien brennt der Regenwald, in Senegal verschiebt sich der Monsun, in Kanada taut der Permafrostboden, in Grönland schmilzt das gigantische Eisschild und in Australien bleichen die Korallenriffe aus. Als Journalistin habe ich all diese Regionen besucht und über diese Veränderungen im Rahmen des Projekts »Grad Jetzt« geschrieben. All diese lokalen Ereignisse führen zu Kettenreaktionen, die sich auf andere Teile der Welt auswirken – man spricht von Klimakipppunkten. Auf meinen Reisen habe ich nicht nur die Naturveränderungen beobachtet, sondern erfahren, wie eng die Klimakrise mit der Systematik unseres Wirtschaftens verwoben ist: Die kapitalistische Wachstumslogik treibt ökologische Ausbeutung und soziale Instabilität voran, wie man gerade in Kanada und Grönland sieht.

Kanada: Ölsand in »Fort McMoney«

Ich stand am Rande des Abbaugeländes der Teersandindustrie und wurde Zeugin einer absurden Realität: Vor mir lag ein mit giftigem Abwasser gefüllter See, auf seiner Oberfläche trieben dutzende Vogelscheuchen in Arbeitskleidung. Währenddessen schallten immer wieder Schreckschüsse über das Gelände, um Vögel – oder auch Menschen – vom Giftwasser fernzuhalten. Diese sogenannten Tailing-Ponds, die durch den Giftmüll der kanadischen Teersandindustrie entstanden sind, symbolisieren auf erschreckende Weise, wie zerstörerisch profitgetriebene Ressourcenausbeutung sein kann: Die Teersandindustrie in Alberta ist eine der größten industriellen Kohlenstoffquellen weltweit. Hier werden unvorstellbare Mengen fossiler Brennstoffe gewonnen, doch der Preis dafür ist hoch: Millionen Hektar Wald werden gerodet, um Platz für die Förderanlagen zu schaffen, das Abbaugebiet ist so groß, dass es aus dem Weltall sichtbar ist. Der Prozess ist viermal klimaschädlicher als herkömmliche Ölproduktion und es entsteht enorm viel toxischer Müll. Indigene Gemeinschaften, die in der Region leben, zahlen den höchsten Preis. Ihre Lebensgrundlagen werden zerstört, ihre Gesundheit leidet unter den Auswirkungen der Verschmutzung, und sie kämpfen gegen die Enteignung ihres Landes. Diese sogenannten »Opferzonen« sind Produkt eines Kapitalismus, der Profite über Leben stellt.

Gegen Waldbrände helfen in Kanada brasilianische Feuerwehrleute. Foto: Markus Mauthe

Profit ist der einzige und größte Treiber der Zerstörung vor Ort. Die nächstgrößere Stadt neben der Teersandindustrie namens Fort McMurray wird umgangssprachlich auch gerne »Fort McMoney« genannt. Im Jahr 2022 machten allein die fünf größten börsennotierten Erdölproduzenten der Welt, die Unternehmen ExxonMobil, Shell, Chevron, Total und BP, zusammen 200 Milliarden Dollar Gewinn – nicht Umsatz. Dabei sind die größten Profiteure der Klimakrise nicht etwa Privatunternehmen, sondern Nationalstaaten. Sie profitieren durch Steuererlöse, Exportgewinne und strategische Kontrolle über fossile Ressourcen, die ihre geopolitischen Interessen sichern. Diese Staaten subventionieren gezielt die fossile Industrie, um sich Wettbewerbsvorteile zu sichern und internationale Dominanz zu wahren, selbst wenn dies langfristig katastrophale Folgen für den Planeten hat. Der Fortbestand dieser klimaschädlichen Industrie wird durch Subventionen in Milliardenhöhe ermöglicht. Die kanadische Regierung unterstützt die fossile Brennstoffindustrie jedes Jahr mit schätzungsweise 14 Milliarden US-Dollar, verteilt auf Steuervergünstigungen, direkte Hilfszahlungen und Investitionen in Infrastrukturprojekte wie Pipelines. Aber was sind schon 14 Milliarden US-Dollar, wenn die gesamte Öl- und Gasbranche seit 1970 etwa drei Milliarden Dollar Gewinn pro Tag gemacht hat – jeden Tag, sieben Tage der Woche, über fünfzig Jahre lang?

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