Österreich hat seit März eine neue Regierung, die angesichts jüngster Wirtschaftsdaten keine Schonfrist bekommt: Die längste Rezession der Nachkriegsgeschichte und eine klaffende Lücke im Budget erfordern rasches Handeln. Doch die Kompromisse der neuen Koalition greifen zu kurz und bekämpfen die Wirtschafts- und Klimakrise nicht ausreichend.
Bundesregierung unter Druck
155 Tage nach den Wahlen und nach zwei gescheiterten Anläufen formen die konservative ÖVP, die sozialdemokratische SPÖ und die (wirtschafts-)liberalen NEOS eine Koalition. Zwischenzeitlich drohte eine von der Industriellenvereinigung präferierte Koalition aus ÖVP und der rechtsextremen FPÖ, doch die sozialpartnerschaftlich orientierte Fraktion innerhalb der Konservativen setzte sich letztlich durch. In der neuen Bundesregierung ist der Austrokorporatismus stark aufgewertet, das Wirtschaftsministerium wird von einem Wirtschaftskammervertreter, das Finanzministerium von einem Arbeiterkammer-Ökonomen und das Sozial-, Arbeits- und Gesundheitsministerium von einer Gewerkschafterin geführt.
Diese Konstellation hat aber zahlreiche ideologische Gräben zu überbrücken, was sich auch im Regierungsprogramm niederschlägt: ein sehr restriktives und rechtlich fragwürdiges Kapitel zu Asyl, hingegen Fortschritte bei Wohnen (partielle Mietpreisbremse), Bildung (bedarfsorientierte Schulfinanzierung) und im Gesundheitsbereich (Kindergesundheitspaket), sowie ein von Interessengegensätzen geprägtes Wirtschaftsprogramm. Doch der Wirtschaftsplan der Regierung wird auf eine harte Probe gestellt – viele sinnvolle Projekte wurden lediglich »unter Budgetvorbehalt« in das Regierungsprogramm aufgenommen.
Denn: Die österreichische Volkswirtschaft befindet sich 2025 im dritten Rezessionsjahr in Folge. Angesichts der rückläufigen Investitionstätigkeit, des zurückhaltenden Privatkonsums und der schwächelnden Weltwirtschaft werden die Konjunkturprognosen laufend nach unten revidiert. Gleichzeitig klafft im Budget ein Defizit weit jenseits der EU-Richtwerte – unter anderem, weil die letzten Regierungen die Senkung der Gewinnsteuer, Steuervergünstigungen für besserverdienende Familien sowie die Abschaffung der kalten Progression im Steuersystem nicht gegenfinanziert haben. Zudem wurde die Teuerungswelle mit kostspieligen Unterstützungsleistungen kompensiert, statt durch Markteingriffe gestoppt. Die große Herausforderung für die neue Regierung ist es also, den heimischen Wirtschaftsmotor mit sehr engen fiskalischen Spielräumen in Gang zu bekommen und dabei strukturelle Ungleichheiten sowie die Klimakrise nicht aus den Augen zu verlieren. Aus wirtschaftspolitischer Sicht kann man im Koalitionsprogramm grob einen Schritt vorwärts, zwei seitwärts und einen rückwärts erkennen.
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