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Das Wirtschaftsmagazin

Bürgergeld: Schwarz-Rot will mehr Totalsanktionen – trotz Verfassungswidrigkeit

Schwarz-Rot will die Bürgergeld-Sanktionen weiter verschärfen. Das trifft die Schwachen und wird immense Folgekosten verursachen.

Schwarz-Rot will zurück zu Hartz IV. Credit: IMAGO/Jens Schicke

Maria* ist alleinerziehende Mutter eines Kindes mit Pflegegrad drei. Derzeit geht sie vormittags einem Minijob nach. Das Jobcenter hat nun angekündigt, dass sie jeden Tag sechs Stunden arbeiten soll. Das würde ihr verunmöglichen, sich angemessen um ihr Kind zu kümmern. Sie ist eine von 1,7 Millionen »erwerbsfähigen Leistungsberechtigten«, denen Schwarz-Rot das Bürgergeld am liebsten komplett entziehen möchte, da sie angeblich arbeiten kann, aber nicht will. Sie wäre bei der zweiten Ablehnung eines Arbeitsangebots eine »Totalverweigerin«, die als Schreckgespenst durch die Medien gescheucht wird. 

Das Sondierungspapier von SPD und CDU sieht eine »neue Grundsicherung für Arbeitssuchende« vor, durch die sich das Leben von Maria und vielen anderen Bürgergeldbeziehenden verschlimmern würde. Sie geht an der Lebensrealität dieser Menschen vollkommen vorbei. Im Papier heißt es: »Für die Menschen, die arbeiten können, soll der Vermittlungsvorrang gelten. (...) Wir werden Vermittlungshürden beseitigen, Mitwirkungspflichten und Sanktionen (...) verschärfen. (...) Großangelegter Sozialleistungsmissbrauch (...) muss beendet werden.« Was sich oft hinter sogenannten »Vermittlungshürden« verbirgt, sind Behinderungen, körperliche und psychische Krankheiten, Kinder, das Alter, der Wohnort oder geringe Qualifikation, manchmal auch alles zusammen. Die Vorschläge aus dem Papier würden diejenigen weiter gängeln, die sowieso schon harte Kämpfe führen müssen.

Totalsanktionen treffen die Schwachen

Denn wer einen Job nicht annimmt, dem drohen Totalsanktionen. Die werden jene treffen, die aus nachvollziehbaren Gründen eine Arbeit ablehnen, weil sie zum Beispiel wie Maria Pflege- oder Erziehungsarbeit leisten und der angebotene Job sich nicht mit dieser Care-Arbeit vereinbaren lässt. Um die widerspruchslose Vermittlung in Jobs zu gewährleisten, sollen Leistungen nun laut dem Sondierungspapier komplett und dauerhaft entzogen, wenn Menschen sich ein zweites Mal »beharrlich weigern«. Dabei sind bereits die beim ersten Mal zulässigen 30 Prozent »Leistungsminderung« hart, wenn man Löcher in den Winterschuhen und kaum genug zu essen hat. Da muss schon etwas ganz und gar nicht stimmen, wenn man eine Arbeit ablehnt. 

Auch Hartz IV stand ganz im Zeichen des sogenannten Vermittlungsvorrangs. Die Kehrseite davon waren nicht nur der massive Ausbau des Niedriglohnsektors mit all seinen Nachteilen, sondern auch der sogenannte Drehtüreffekt, der in Studien des Instituts für Arbeits- und Berufsforschung nachgewiesen wurde: Menschen nehmen Arbeit an, geben diese aber nach kurzer Zeit wieder auf oder verlieren sie und landen, schwupps, erneut im Jobcenter. 

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