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Das Wirtschaftsmagazin

Warum die SPD tief in der Krise steckt

Die SPD hat immer größere Probleme, die Arbeitenden für sich zu gewinnen. Ändert sich das nicht, wird sich ihre Krise verschärfen.

Alte und neue SPD: Willy Brandt und Lars Klingbeil. Credit: IMAGO/FrankGaeth

Die Sozialdemokratie liegt auf der Intensivstation. Bei der Bundestagswahl erzielte die SPD das schlechteste Wahlergebnis seit 1887. In den letzten zwei Jahrzehnten pulverisierte sich die rote Wähler- und Mitgliedschaft. Die Enkel und Urenkel Willy Brandts verloren mehr als zehn Millionen Wähler und die Zahl ihrer Genossen halbierte sich. 

Die SPD wird heute nur noch von einer Minderheit als natürliche Anwältin der Beschäftigten und sozial Benachteiligten wahrgenommen. Nicht einmal jeder Vierte traut ihr in sozialen Fragen noch etwas zu. Die überwiegende Mehrheit der Facharbeiter, einfachen Angestellten und Geringqualifizierten wählt nicht mehr rot. Nur noch 12 Prozent der Arbeiter machten zuletzt ihr Kreuz bei den »roten Strolchen«. Die neue Arbeiterpartei der Republik ist die braune AfD. Ein Armutszeugnis für die historische Partei der Arbeit.

Nach der katastrophalen Wahlniederlage bei der Bundestagswahl hagelte es Kritik an Personal und Strategie. Bereits vor der Wahl klagten führende Sozialdemokraten über die Kanzlerkandidatur von Olaf Scholz. Der vierte SPD-Kanzler sei das Gesicht der gescheiterten Ampel-Regierung und belaste deshalb den Wahlkampf, so der Vorwurf. Für Juso-Chef Philipp Türmer war die SPD-Wahlkampagne eine einzige Stolperpartie. Türmer kritisierte, dass sich die Parteiführung von asyl- und migrationspolitischen Fragen treiben ließ und soziale Forderungen aus dem Blick verlor. Der ehemalige Berliner Bürgermeister Michael Müller beklagte sich ebenfalls über das unscharfe sozialpolitische Profil der Partei. 

Zur Wahrheit gehört aber auch: Ein anderer Kandidat und eine bessere Kampagne hätten den Absturz der SPD abschwächen, aber nicht verhindern können. Die Ursachen des Wahldebakels liegen tiefer. 

Schlechtes Arbeitszeugnis

Die wirtschaftliche und soziale Bilanz der Scholz-Regierung fiel miserabel aus. Die Wirtschaft lahmte und die Investitionen schrumpften. Die Zahl der Arbeitslosen stieg auf fast drei Millionen. Unter der Ampel mussten die Beschäftigten die stärksten Reallohnverluste der Nachkriegsgeschichte hinnehmen. Die Nahrungsmittelpreise, Heiz- und Tankkosten explodierten, in den Großstädten stiegen die Mieten, der Wohnungsbau stockte, der Ausbau der Kitas, Ganztagsschulen und Pflege blieb weit hinter den Bedarfen zurück.  Die physische Infrastruktur – Straßen, Brücken, Bahn, Stromnetze, Digitales, et cetera. – verfiel. Ungleichheit und Armut verharrten auf hohem Niveau. Jedes fünfte Kind und jeder sechste ältere Mensch sind in unserem reichen Land armutsgefährdet. Dieses eklatante Politikversagen hat maßgeblich zum Aufstieg der rechtsradikalen AfD beigetragen. Die Rechtsextremisten mussten die soziale Frage nur noch national umdeuten.

Natürlich hatte die Ampel ein schweres Schicksal. Scholz musste sofort nach Amtsantritt in den Krisenmodus schalten. Der russische Angriffskrieg und die einhergehende Energiekrise trafen die deutsche Industrie schwer. Im November 2023 entzogen die Karlsruher Richter der Ampel die finanzielle Geschäftsgrundlage. Gleichzeitig spielte die Lindner-FDP in der Regierung neoliberale Fundamentalopposition. Anfangs versuchte die selbst ernannte Fortschrittskoalition, die wirtschaftlichen und sozialen Krisenfolgen zu lindern. Scholz, Habeck und Lindner spendierten mehr Wohn- und Kindergeld, einen Kinderbonus, steuer- und sozialabgabenfreie Inflationsprämien, ein höheres Bürgergeld sowie eine Gas- und Strompreisbremse. Gut gemeint ist aber nicht immer gut gemacht. Das rot-grün-gelbe Krisenmanagement reichte nicht aus, um Industrie und Verbraucher ausreichend vor steigenden Energiepreisen zu schützen. Folglich drosselten die Industriebetriebe ihre Produktion und packten Investitionspläne in die Schublade. Gleichzeitig gaben die Beschäftigten weniger für Konsum aus. Das war Gift für die heimische Konjunktur. 

Kurzum: Wer mit diesem miesen Arbeitszeugnis eine Wahl gewinnen will, muss zumindest erklären können, warum beim nächsten Mal alles besser wird. Die SPD konnte aber nicht einmal vermitteln, in welchem progressiven politischen Bündnis, sie nach der Wahl sozialdemokratische Politik umsetzen will. 

Schwere Erblast

Die rote Regierungspartei steckte schon vor der Ampel in einer schweren Vertrauenskrise. Schließlich regierten die Genossen seit 1998 – bis auf eine kleine Auszeit – ununterbrochen das Land. In dieser Zeit sind viele soziale Missstände – prekäre Beschäftigung, Niedriglöhne, Armutsrenten, Wohnungsmangel, Bildungs- und Pflegenotstand, Investitionsstau – entstanden, die heute von Sozialdemokraten angeprangert werden. 

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