zum Inhalt
Das Wirtschaftsmagazin

SPD-Programm: Wie viel Kompromiss erträgt ein Land?

Im Wahlprogramm der SPD finden sich einige gute Ideen, doch der große Wurf für strukturelle Veränderungen fehlt. Nach den vergangenen Regierungsbeteiligungen wirkt vieles unglaubwürdig.

Olaf Scholz und Boris Pistorius reichen sich beim Parteitag die Hand. Credit: IMAGO/Mike Schmidt

Die SPD will viel. Sie will Investitionen fördern und Wachstum schaffen, die Schuldenbremse reformieren und einen Deutschlandfonds aufsetzen, Energiepreise senken, Steuern gerechter gestalten, Löhne erhöhen und auch in der Bildung und im Wohnungsmarkt für Fortschritt sorgen. Doch so viel sich die SPD auch vornimmt – nach den vergangenen Regierungsbeteiligungen glaubt man ihr nicht, dass sie es wirklich kann.

Im Wahlprogramm der SPD finden sich einige gute Ideen, doch der große Wurf für strukturelle Veränderungen fehlt.

Ampel-Jahre machen unglaubwürdig

Die mangelnde Glaubwürdigkeit dürfte für die SPD zum größten Problem in diesem Wahlkampf werden. Die Partei will »die höchsten Vermögen in unserem Land bei der Finanzierung der Gemeinschaft stärker in die Verantwortung nehmen«. Das klingt schön und richtig – doch wird sie in Koalitionsverhandlungen darauf bestehen? Auch 2021 hieß es im Wahlprogramm, die SPD wolle »die Vermögensteuer wieder in Kraft setzen, auch um die Finanzkraft der Länder für wichtige Zukunftsaufgaben zu verbessern. Wer sehr viel Vermögen hat, muss einen größeren Beitrag zur Finanzierung unseres Gemeinwesens leisten«. Geworden ist daraus nichts – mit der FDP wäre das nie umsetzbar gewesen. Auch in der neuen Regierungsbildung (mit einer konservativen Partei) dürften die Forderungen nicht länger halten als ein Schneeball in der Wüste. 

Zweites Beispiel: Lohnpolitik. Die SPD will den Mindestlohn auf 15 Euro erhöhen. Nach der einmaligen Erhöhung auf 12 Euro nach der Wahl 2021 könnte man meinen, dass die SPD hier standhaft bleibt. Allerdings geht auch an dieser Stelle die Forderung mit einem faden Beigeschmack einher, denn letztendlich ist dies nicht mehr als eine Korrektur der eigenen Fehler in der Ampelregierung: Durch den Inflationsschub infolge des Ukrainekriegs stiegen die Preise für Energie 2022 und 2023 um 50 Prozent und für Lebensmittel um 30 Prozent. Da Geringverdiener einen höheren Anteil ihrer Ausgaben für die Deckung von Grundbedürfnissen wie Energie und Lebensmittel ausgeben, liegt der existenzsichernde Mindestlohn 2025 bei 15 Euro. Das haben auch die Arbeitnehmervertreter in der Mindestlohnkommission so beziffert. Dass wir derzeit einen Mindestlohn von 12,82 Euro haben, liegt daran, dass die Arbeitgebervertreter in der Mindestlohnkommission für die Berechnung ihrer Empfehlung einen Mindestlohn von 10,45 Euro ansetzten, was dem Vorschlag der Kommission vom November 2020 entsprach. Auf dieser Grundlage wurde die im Vergleich zur Inflation marginale Erhöhung des Mindestlohns beschlossen. Die durch die SPD durchgesetzte Anhebung auf 12 Euro wurde damit faktisch übergangen – und der Mindestlohn ist heute dort, wo er auch ohne die SPD stünde. In der SPD war man zwar »enttäuscht« über die Empfehlung der Kommission, aber da man einem Streit mit der FDP aus dem Weg gehen wollte, übernahm man kampflos die mickrige Anpassung.  

Patchwork statt Kurswechsel

Nun zur Ambitionslosigkeit: Die Schuldenbremse soll so reformiert werden, dass Investitionen »nicht behindert« werden. Auch das klingt gut und ist angesichts der hohen Investitionsbedarfe eine unabdingbare Forderung, um das Land fit zu machen für das 21. Jahrhundert. Für eine konkrete Umsetzung der Reform finden sich jedoch nur vage Anhaltspunkte, wie beispielsweise eine Anpassung der Konjunkturkomponente »an die aktuellen wirtschaftlichen Realitäten« (was immer das heißen mag), eine Reform der Notlagenregelung und eine Änderung der bestehenden »Tilgungsverpflichtungen«. Kurzfristige Verbesserungen wären das allemal, der große Wurf für langfristige Handlungsfähigkeit ist das aber nicht. 

Dasselbe gilt auch für die Instrumente, die die Investitionstätigkeit anregen sollen. Das eine ist ein sogenannter »Made in Germany«-Bonus – eine Investitionsprämie. Die Idee dahinter: »Jede Betriebs- beziehungsweise Unternehmensinvestition in Maschinen und Geräte (aus den sogenannten Ausrüstungsinvestitionen) soll mit 10 Prozent der Anschaffungssumme direkt und unkompliziert über eine Steuererstattung gefördert werden.« Eine solche Prämie ist zwar besser als plumpe Steuersenkungen für alle, wie sie die CDU und FDP versprechen. Aber das Fehlen jeglicher Konditionen, beispielsweise für mehr Energieeffizienz oder Tarifbindung, macht das Instrument wenig zielgenau und in seiner Wirkung eher wie eine »Abwrackprämie«: Investitionen, die ohnehin getätigt werden würden, bringen den jeweiligen Unternehmen eine gewisse Vergünstigung, aber genuine Anreize für einen nachhaltigen, strukturellen Wandel fehlen.

Abonniere kostenlos unseren wöchentlichen Newsletter, um diesen Text weiterzulesen:

Abonnieren

Gibt’s schon einen Account? Login