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Das Wirtschaftsmagazin

Südekum: »Jetzt beginnt die spannende Wirtschaftspolitik«

Der Ökonom Jens Südekum hat das Investitionspaket von Union und SPD mit entwickelt. Worauf es wirtschaftspolitisch nun ankommt, erklärt er im Interview.

Collage: Surplus, Material: IMAGO / Sven Simon, photothek

Die CDU/CSU und die SPD haben die Schuldenbremse in ihrer altbekannten Form beerdigt. Im Interview erklärt Wirtschaftsprofessor und Mitverfasser des Programms, Jens Südekum, wie es dazu kam und worauf es jetzt ankommt.

Surplus: Herr Südekum, die alte Schuldenbremse wurde begraben, wie kam es dazu? 

Jens Südekum: Am Donnerstag vergangener Woche wurden wir auf Initiative von Jakob von Weizsäcker informiert und trafen uns noch am selben Abend: Clemens Fuest, Moritz Schularick, Michael Hüther und ich. Gemeinsam besprachen wir, welche Maßnahmen erforderlich wären. Ich erstellte ein Protokoll, und wir leiteten das daraus entstandene Papier über unsere Kontakte in die Sondierungsrunde weiter – an beide Seiten. Nach allem, was man hört, hat es dort tatsächlich eine bedeutende Rolle gespielt. Erstaunlich, wie gut und schnell Politikberatung manchmal funktionieren kann. 

Was stand in dem Papier? 

Vor allem zwei Punkte standen im Fokus: Erstens die Einrichtung eines Sondervermögens für Infrastruktur in Höhe von 500 Milliarden Euro, basierend auf den Zahlen aus der bekannten Studie des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft und des arbeitnehmernahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung. Zweitens empfahlen wir ein Sondervermögen für das Militär in Höhe von 400 Milliarden Euro. Diese Zahl ergibt sich aus der Expertise von Moritz Schularick und aus den absehbaren NATO-Zielen, die eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf 2 bis 3 Prozent des BIP vorsehen. Diese Maßnahmen adressieren die großen Investitionsrückstände. 

Und wieso wollten Sie keine Reform der Schuldenbremse? Dafür gab es ein einzigartiges Zeitfenster. 

Hätten wir völlig frei entscheiden können, hätten wir empfohlen, die Schuldenbremse zu reformieren. Das wäre die bessere und nachhaltigere Lösung gewesen. Doch die aktuelle Situation ist außergewöhnlich: Es braucht eine Zweidrittelmehrheit, was die Umsetzung erheblich erschwert. Die Linke müsste einbezogen werden, hat aber bereits signalisiert, dass sie Rüstung kategorisch ablehnt. Deshalb wurde die alte und nicht die neue Zusammensetzung des Bundestags einbezogen.

Bei beidem hätte es eine Mehrheit für eine grundlegende Reform der Schuldenbremse geben können.

Aus meiner Sicht war es völlig unrealistisch, innerhalb von zwei Wochen eine grundlegende Reform der Schuldenbremse durchzusetzen – zumal auf einer demokratisch nicht ganz unproblematischen Legitimationsbasis. Das war schlichtweg nicht machbar.

Bei der Reform der Schuldenbremse gibt es derzeit mindestens vier verschiedene Vorschläge, die in der Fachdebatte kursieren, alle mit ihren eigenen Vor- und Nachteilen. Ein Konsens, welcher Ansatz der beste ist, existiert nicht. Solche komplexen Fragen lassen sich nicht im Eilverfahren lösen. Deshalb haben wir vorgeschlagen, ein Sondervermögen einzurichten, um kurzfristig handlungsfähig zu bleiben – sowohl im Militär- als auch im Infrastrukturbereich. Gleichzeitig sollte dieses Sondervermögen mit dem klaren Bekenntnis verknüpft werden, in der nächsten Legislaturperiode eine gründlich diskutierte Reform der Schuldenbremse anzugehen.

Dabei wird es Aufgabe von Kanzler Merz sein, auf die Linken zuzugehen. Das gehört zur politischen Verantwortung, gerade weil er die Chance gehabt hätte, solche Reformen bereits in der Vergangenheit anzustoßen.

Aber der Groko-Kompromiss weicht auch in einigen Punkten von ihrem Papier ab.

Die GroKo hat uns zweifach überrascht. Erstens, indem Militärausgaben über 1 Prozent des BIP von der Schuldenbremse ausgenommen werden und zweitens die Entlastung der Länder direkt beschlossen wird. Politisch ergibt das Sinn, da auch der Bundesrat zustimmen muss und dadurch die Länder ebenfalls profitieren. Das Paket der GroKo sieht auch vor, in der nächsten Legislaturperiode eine Kommission einzusetzen, die grundsätzliche Vorschläge für eine stabilitätsorientierte Reform der Schuldenbremse ausarbeiten soll, um mehr Investitionen zu ermöglichen. Das bedeutet, dass es durchaus möglich ist, mit den neuen Mehrheitsverhältnissen in der kommenden Legislatur eine weitergehende Reform umzusetzen.

Für Investition und Verteidigung gibt es jetzt erstmal Spielraum. Wieso haben Sie im Zuge dessen kein Wort über die schlechte Konjunktur verloren?

Gut, jetzt wurde zunächst das Sondervermögen für Infrastruktur als Vehikel geschaffen. Was letztlich konkret damit umgesetzt wird, bleibt eine tagespolitische Frage. Ich denke jedoch, dass dieser Ansatz einen gewissen Spagat ermöglicht, indem teilweise auch Anreize für private Investitionen über den Fonds finanziert werden.

Welche Effekte erhoffen Sie sich insgesamt von dem Programm?

Die Aussichten sind vielversprechend, denke ich. Natürlich stehen wir noch am Anfang, aber nach dem gestrigen Abend arbeiten bereits alle, die Simulationsrechnungen erstellen können, intensiv an den Analysen. Ich habe schon erste Ergebnisse gesehen, die jedoch noch sehr vorläufig sind. Diese ersten Zahlen sehen jedoch durchaus positiv aus. Wir sprechen hier von einem erheblichen Fiskalimpuls. Wenn wir 500 Milliarden Euro über zehn Jahre ansetzen – das wären 50 Milliarden pro Jahr – und die Länder ihre 0,35 Prozent des BIP beisteuern, was etwa 15 Milliarden entspricht, sowie eine Verteidigungsquote von etwa 3 Prozent, wovon 2 Prozent kreditfinanziert sind, ergibt sich ein Fiskalimpuls von knapp 90 Milliarden Euro. In Summe reden wir also über etwa 150 Milliarden Euro jährlich, was 3,5 Prozent des BIP entspricht. Das ist ein kräftiger Impuls.

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