Auf der Münchner Sicherheitskonferenz sprach US-Vizepräsident JD Vance nicht über Sicherheit. Er sprach über Werte – und über die »Firewall«, also die deutsche Brandmauer, die fallen solle. Damit löste er eine Explosion aus. Auch er hat der AfD nun die Tür geöffnet. Vance machte deutlich, dass hinter jedem Schritt von Friedrich Merz in Richtung AfD nicht nur Elon Musk, sondern auch Donald Trump und er selbst stehen.
Doch so vergiftet seine Rede gewesen sein mag, sie benannte eine entscheidende Schwachstelle der europäischen Politik. Wie schafft man Mehrheiten, die man für große und schwierige Entscheidungen braucht, wenn man Angst vor seinen Wählern hat?
Vance stichelte mit der Migrationsfrage und schlug aus dem Anschlag in München politisches Kapital. Das ist das billige Spiel der Rechtspopulisten. Und wie Merz gelernt hat, ist es nicht mal sicher, dass eine rechte Mehrheit zu finden ist. Mit der Abtreibungsfrage, die Vance ins Spiel brachte, liebäugelt er wohl eher mit seinem amerikanischen Publikum. Das geht an der Realität der europäischen Gesellschaft komplett vorbei.
Aber die Frage des fehlenden politischen Mutes trifft den Kern der Sache. In der Energiewende, bei der künstlichen Intelligenz, bei der Migrationsfrage und in der Sicherheitspolitik braucht es tatsächlich einen großen Wurf, nur nicht so, wie Vance sich das denkt. Was fehlt, ist der Mut, offensiv eine großzügige und großzügig finanzierte progressive Politik einzufordern.
Das wird nicht weniger ernst, wenn wir uns der Wirtschaftspolitik zuwenden. Vance Ton in München war herausfordernd, aber freundlich, er war sogar um humorvolle Einlagen bemüht. Aber in der Sicherheitspolitik und bald auch in der Handelspolitik wird der Ton aus Washington bald rauer werden.
Europa wird sich bei der Zollpolitik als Opfer der amerikanischen Aggression empfinden. Und die WTO würde Brüssel vermutlich recht geben, wenn sie nicht von Washington gezielt außer Funktion gesetzt worden wäre. Aber abgesehen von den Zollsätzen, am Exportüberschuss Europas und vor allem Deutschlands gegenüber den USA rüttelt das Schiedsgericht nicht. Auch nicht an der fehlenden Nachfrage in Europa, die die Überschüsse mitbestimmt.
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