Das Finanzierungspaket im schwarz-roten Sondierungspapier kann als massiver finanzpolitischer Befreiungsschlag gelten. Die in der deutschen Politik lange Zeit sakrosankte Schuldenbremse soll an drei Stellen im Grundgesetz gelockert werden. Erstens sollen Verteidigungsausgaben oberhalb von einem Prozent des BIP zukünftig in unbegrenzter Höhe über Kredite finanziert werden dürfen. Zweitens soll ein 500 Milliarden Euro schweres Sondervermögen für Teilbereiche der Infrastruktur geschaffen werden, das zehn Jahre lang kreditfinanzierte Investitionen ermöglicht. 100 Milliarden Euro sind davon für die Länder und Kommunen vorgesehen. Drittens soll den Ländern künftig ein dauerhafter Kreditspielraum von 0,35 Prozent des BIP eingeräumt werden, aktuell also etwa 15 Milliarden Euro. Bislang haben die Länder gar keinen dauerhaften Kreditspielraum. Addiert man die Summen auf, kommt man in den nächsten 10 Jahren pro Jahr auf gut 110 Milliarden Euro (2,5 Prozent des BIP) an zusätzlichen Kreditspielräumen, falls die Verteidigungsausgaben auf 2 Prozent des BIP steigen. Steigen diese auf 3 Prozent des BIP, wären es sogar mehr als 150 Milliarden Euro (3,5 Prozent des BIP). Dass sich viele darüber erstaunt und erfreut die Augen reiben, die sich zuvor jahrelang erfolglos für eine Reform der Schuldenbremse eingesetzt haben, ist verständlich. Und dass die SPD es als großen Verhandlungserfolg verbucht, dies ausgerechnet gegen eine Union und ihren Kanzlerkandidaten Friedrich Merz durchgesetzt zu haben, die vor der Wahl von einer Änderung der Schuldenbremse nichts wissen wollten, ist ebenso klar.
Zwar kann man eine dauerhafte Finanzierung der Verteidigungsausgaben kritisch sehen – eigentlich wäre langfristig eine solidarische Finanzierung aus dem laufenden Haushalt, etwa über einen Rüstungssoli oder eine Vermögensabgabe, angebracht. Auch sind Zweifel an den von manchen behaupteten positiven gesamtwirtschaftlichen Effekten von Verteidigungsausgaben angebracht, zumal wenn sie für Transfers an andere Staaten oder für Rüstungsimporte verwendet werden. Spöttisch könnte man anmerken, dass hier über Nacht so manche knallharte Ordoliberale zu Rüstungskeynesianerinnen und Militär-Industriepolitikern mutiert zu sein scheinen. Das ändert aber nichts daran, dass von dem Paket gerade bei den geplanten Infrastrukturinvestitionen mittelfristig erhebliche positive gesamtwirtschaftliche Effekte zu erwarten wären.
Dennoch ist das Sondierungspaket zumindest kurzfristig mit erheblichen Risiken für die Konjunktur, die öffentliche Daseinsvorsorge und den Sozialstaat verbunden. In der starken Fixierung auf Rüstung und Investitionen wurde nämlich ein wesentlicher Punkt vergessen: Die aktuell extrem angespannte Lage der öffentlichen Kernhaushalte und ihre gesamtwirtschaftlich kontraproduktive, restriktive Ausrichtung: Deutschland steckt nach wie vor in einer schweren Konjunktur- und Wirtschaftskrise, die zu einem erheblichen Teil nachfragebedingt ist. Und ausgerechnet in dieser Krise ist der Bund durch die Obstruktionspolitik Christian Lindners und der FDP bereits seit dem Jahr 2022 auf einen Restriktionskurs eingeschwenkt. Im vorläufigen Haushalt 2025 und im Finanzplan der kommenden Jahre klaffen große Lücken, an denen die Ampel-Koalition schließlich zerbrochen ist. Länder und Kommunen hielten 2023 und 2024 noch tapfer gegen, doch 2025 und spätestens im kommenden Jahr droht vielen von ihnen eine heftige Kürzungspolitik, die die Konjunktur und die öffentliche Daseinsvorsorge erheblich belasten würde. Und genau diese prekäre Ausgangslage wird im Sondierungspaket nicht berücksichtigt.
Die umstrittenen Maßnahmen
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