Susanne Weigelin-Schwiedrzik war von 2002 bis 2020 Professorin für Sinologie am Institut für Ostasienwissenschaften der Universität Wien. Ihre Hauptforschungsbereiche sind chinesische Geschichtsschreibung des 20. Jahrhunderts sowie zeitgenössische chinesische Politik. Im Interview erklärt sie, welche Interessen China im aktuellen Handelskrieg mit den USA verfolgt.
Surplus: Die USA und China befinden sich in einem Wirtschaftskrieg. Wird der Konflikt unter Donald Trump weiter eskalieren?
Weigelin-Schwiedrzik: Ja, denn trotz vieler Unwägbarkeiten ist sicher, dass es parteiübergreifend in Amerika einen Konsens gibt: Man will den weiteren Aufstieg Chinas verunmöglichen – oder ihn zumindest erheblich verlangsamen. Aber: Die USA wollen die direkte militärische Auseinandersetzung mit China vermeiden, deswegen tragen sie den Konflikt auf anderen Gebieten aus: Wirtschaft, Technologie, Wissenschaft.
Sie haben jahrelang in China gelebt und geforscht, kann das Land im Wirtschaftskrieg mit den USA bestehen?
Die Wirtschaft der Volksrepublik China ist – auf den ersten Blick – besser aufgestellt als die amerikanische, nämlich deshalb, weil sie über eine solide industrielle Grundlage verfügt, die USA dagegen kämpft mit der Deindustrialisierung. Der Anteil der Industrieproduktion liegt in China bei knapp 40 Prozent des BIP, in den USA bei etwa 17 Prozent. China will Produkte herstellen, die in keinem anderen Land der Welt hergestellt werden können – um die übrigen Länder stärker von sich abhängig zu machen. Nach innen versucht China, sich eine in vielen Bereichen autarke Binnenwirtschaft aufzubauen, um das Überleben von Staat und Gesellschaft zu sichern, wenn es zu Sanktionen oder militärischen Konflikten in der Welt kommt.
Doch gelingt das? Das Wirtschaftswachstum ist in China stark zurückgegangen, es lag im vergangenen Quartal nur bei 4,6 Prozent.